Die Nacht des Unwetters

Mendig · Mit der Dramaturgie eines Katastrophenfilms treffen Samstagnacht zwei Gewitterzellen das Festivalgelände von Rock am Ring in Mendig. 33 Menschen werden durch massive Blitzeinschläge verletzt und in Krankenhäuser eingeliefert.

 Ganz in der Nähe dieses zerstörten Pavillons ist in der Nacht ein Blitz eingeschlagen und hat 25 Menschen verletzt.

Ganz in der Nähe dieses zerstörten Pavillons ist in der Nacht ein Blitz eingeschlagen und hat 25 Menschen verletzt.

Foto: sve sve (sve) ("TV-Upload sve"
 Zerstörte Zeltaufbauten nach dem Unwetter.

Zerstörte Zeltaufbauten nach dem Unwetter.

Foto: sve sve (sve) ("TV-Upload sve"

Mendig. Es beginnt bereits während des Auftritts der Toten Hosen am späten Freitagabend. Während Campino auf einen Lichtturm klettert und ,,Bis zum bitteren Ende" singt, leuchtet es immer wieder am Himmel über Mendig. Der Wind wird stärker. Während ein ausgewählter Fan ,,Paradies" singen darf, fallen die ersten Tropfen. Sie sind so dick, dass sie sich wie Hagelkörner anfühlen.
Die Fans bewegen sich. Weg von den Bühnen in Richtung der Zeltplätze. Um 1.30 Uhr schlägt der Blitz im Backstagebereich ein. Acht Produktionshelfer werden verletzt. Veranstalter Marek Lieberberg geht während der Zugabe von Marilyn Manson auf die Bühne und bittet die Fans, zum Schutz die großen Festivalzelte aufzusuchen. Es gibt keine Panik.
Die Meteorologen geben Alarm: Eine zweite Sturmzelle kommt. Wesentlich härter als die erste. Der Late-Night-Auftritt von Fritz Kalkbrenner wird um 2.15 Uhr aus Vorsicht abgebrochen. Gegen 3.30 Uhr geht es los. ,,Es war, als breche die Hölle los", sagt ein Augenzeuge. Starkregen, stürmischer Wind, Donner im Sekundentakt. Das halten viele Zelte nicht aus. Auf dem VIP-Campingplatz schlägt ein weiterer Blitz ein. 25 Fans werden verletzt - viele dadurch, dass sie ihre Zeltstangen festhalten. Der durch den Blitz ausgelöste Stromschlag löst Muskelschwäche und Herzrhythmusstörungen aus - so wird die ärztliche Einsatzleiterin Dr. Yvonne Kuhn vom Deutschen Roten Kreuz später das Verletzungsbild erklären. Die Verletzungen sind ihren Angaben nach nicht schwerer oder gar lebensgefährlicher Natur. Alle Verletzten können bis zum Festivalende wieder aus der ärztlichen Obhut entlassen werden.
Polizeidirektor Gerd Bertram ist seit zehn Jahren Einsatzleiter bei Rock am Ring. Sein Team ist sofort vor Ort. Polizisten und Rettungskräfte des Technischen Hilfswerks gehen von Zelt zu Zelt, um zu überprüfen, ob es weitere Verletzte gibt.
Holger Hüsger aus Düsseldorf gehört zu den Augenzeugen des Blitzeinschlags. "Es war ein Megaknall", sagt er. "Die Leute haben versucht, ihr Zelt festzuhalten. Die Rettungskräfte waren sofort da."
Svenja Säufert aus Würzburg ist ebenfalls mittendrin. "Ich hatte total Panik", erzählt sie. "Viele Leute hatten Angst und wussten nicht, was sie machen sollten. Wir haben zur Vorsicht sofort alle Stecker rausgezogen." Nico Hansjosten ist ebenfalls in der Nähe des Einschlags. "Es war wahnsinnig laut. Wir haben wohl einfach Glück gehabt, dass es uns nicht getroffen hat."
Am Samstagmorgen tritt Bertram zusammen mit Innenminister Roger Lewentz, dessen vier Kinder auf dem Festival unterwegs sind, und Veranstalter Marek Lieberberg vor die Presse. Ministerpräsidentin Malu Dreyer ist ebenfalls vor Ort, nimmt an der Pressekonferenz aber nicht teil. Ihre übereinstimmenden Aussagen: Die Reaktionen auf die Notlage waren schnell und kompetent, die Einsatzkräfte haben alles gegeben. Das Festival wird nicht abgebrochen. jp

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