Die neuen Leiden des jungen Opfers

KELBERG. Zu fünf Jahren und drei Monaten Haft hat die Zweite Große Jugendkammer des Landgerichtes Trier am Dienstag einen Sexualstraftäter aus einem kleinen Eifelort verurteilt. Bis zur Rechtskraft des Urteils lebt der 64-Jährige weiterhin Tür an Tür miteinem seiner Opfer. Wegeneines Fehlers war das ersteUrteil ungültig geworden.

Traurige Gesichter bei dem mittlerweile 18-jährigen Opfer und seinen Eltern: Das Desaster hat für die Familie aus der 150-Einwohner-Gemeinde in der Verbandsgemeinde Kelberg immer noch kein Ende, obwohl sie schon Anfang Februar 2002 Anzeige erstattet hatten. Ihr Haus und das des Täters liegen unmittelbar nebeneinander in der Dorfmitte. Sie teilen sich eine Hofeinfahrt. Die Mutter beschreibt den permanent brenzligen Alltag: "Wenn wir am Küchentisch sitzen, sehen wir auf seine Haustür. Oft beschimpft er meinen Sohn über den Hof. Sein älterer Bruder kann seine Wut kaum noch im Zaum halten." Ein Vorfall vom 12. Oktober wurde auch gestern vor dem Landgericht thematisiert: Der Angeklagte soll sein früheres Opfer übel tituliert und gedroht haben, "er werde dafür sorgen, dass dieser Name ihm anhaften bleibe". Zunächst dementiert der Angeklagte diese Aussagen und bezichtigt die Zeugen als Lügner. Erst auf ausdrückliches Anraten der Vorsitzenden Richterin Irmtrud Finkelgruen und seines Verteidigers Eugen Ritzdorf gibt er zu: "Ich habe in der Waschküche laut vor mich her geredet. Ich bedauere meine Verhalten und entschuldige mich." Glaubwürdig wirkt der stiernackige Mann mit Haarkranz und langen wuchtigen Koteletten fast bis zum Kinn dabei nicht. Als "gequälte Entschuldigung" beschreibt Rechtsanwalt Georg Barth von der Nebenklage diese Situation im Gerichtssaal. Gestern galt es für die Jugendkammer, eine neue Gesamtstrafe für 19 Fälle (neun Mal sexueller, zehn Mal schwerer sexueller Missbrauch sowie unerlaubter Waffenbesitz) zu bilden. Wegen eines Rechenfehlers des Landgerichts Trier hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das erste Gesamturteil vom November 2003 über 22 Fälle teilweise aufgehoben. Laut BGH-Beschluss gelten die 19 Fälle, um die es am Dienstag ging, als bewiesen, die drei anderen werden im Januar neu verhandelt. Das neue Strafmaß darf laut Gesetz nicht höher ausfallen als das erste: Für alle 22 Fälle hatte der Angeklagte seinerzeit sechs Jahre und drei Monate erhalten. Mit dem gestrigen Urteil über fünf Jahre und drei Monate bleibt somit noch Spielraum für die Verhandlung im Januar. Noch ist der Richterspruch nicht rechtskräftig. Verteidiger Ritzdorf hält eine erneute Revision allerdings für "eher unwahrscheinlich". Der Haftbefehl war unmittelbar nach den Anzeigen im Februar 2002 gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden. Nach dem Willen von Staatsanwalt Thomas Albrecht sowie der Rechtsanwälte Barth und Hans-Josef Ewertz als Nebenkläger sollte sich das gestern ändern. Sie forderten: "Die Schlinge zieht sich für den Angeklagten immer enger zu. Es besteht Fluchtgefahr, weil er genügend Vermögen hat, um sich ins Ausland abzusetzen." Richterin Finkelgruen hielt dagegen: "Der Angeklagte ist heute vor Gericht erschienen und steht außerdem unter Beobachtung der Nachbarn." Laut Gesetz gebe es keinen Grund, den Haftbefehl in Vollzug zu setzen. Allerdings legte sie dem Rentner nahe: "Schenken sie Ihren Nachbarn ruhige Feiertage." Einiges stößt auch Finkelgruen bitter auf. Sie gibt dem Angeklagten mit auf den Weg: "Die Verhöhnung der Opfer muss aufhören. Wenn Sie gewollt hätten, hätten sie innerhalb von sechs Monaten ein anderes adäquates Anwesen finden können. Scheinbar genießen Sie die Situation, um ihre Opfer weiterhin zu schädigen. Das ist nicht die feine Art."

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