Die Pendlerei geht an die Nerven

Berlin. Sieben Jahre nach dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin haben Politiker eine Debatte darüber entfacht, ob sämtliche Ministerien vom Rhein an die Spree umziehen sollen.

Geht es um wichtige Themen der deutschen oder der internationalen Politik, dann taucht der Name Bonn kaum noch auf. Weder in den großen Überschriften der Tageszeitungen, noch in den Hauptnachrichtensendungen von Funk und Fernsehen. Sieben Jahre nach dem spektakulären Umzug vom Rhein an die Spree spielt die Musik der deutschen Politik eindeutig auf dem Berliner Parkett. Dabei haben derzeit aber immer noch sechs Ministerien ihren Hauptsitz in Bonn, darunter auch das Verteidigungsministerium, die übrigen acht Ressorts residieren mit einem zweiten Sitz in der ehemaligen Bundeshauptstadt. Ministerien sind bekanntlich personalintensiv. Und so arbeiten denn in Bonn rund 10 000 Beamte der Berliner Bundesregierung. Jetzt ist in Berlin parteiübergreifend eine neue und heftige Diskussion darüber entbrannt, ob es nicht langsam an der Zeit ist, mit dem nervenaufreibenden Hin und Her Schluss zu machen und alle Bundesministerien Zug um Zug an die Spree zu verlagern - dorthin, wo sie eigentlich mit Blick auf politische Effizienz auch hingehören. Es ist gut 15 Jahre her, dass der Bundestag nach hitzig geführten Diskussionen den Umzug von Regierung und Parlament nach Berlin beschloss.Die Beethoven-Stadt prosperiert wie noch nie

Damals hatten viele befürchtet, Bonn mit seinen heute über 300 000 Einwohnern werde zu einer Krisenregion, wenn alle Ministerien auf einen Schlag an die Spree verlagert würden. Auch dank der unbestritten tüchtigen Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) prosperiert die Beethoven-Stadt wie noch nie in ihrer über 2000-jährigen Geschichte. Bonn ist heute UN-Stadt und "Telekom-City", und der "Post-Tower" hat das legendäre Abgeordnetenhochhaus Langer Eugen längst in seinen Schatten gestellt. Bonn geht es gut. In Sachen Kultur ist die Stadt am Rhein längst zum ernsthaften Rivalen selbst für Hamburg, Frankfurt, München oder Stuttgart geworden. Um manche Top-Kunstausstellung beneiden sogar die Berliner Kulturschaffenden Bonn. Mit der wirtschaftlichen und kulturellen Blüte Bonns wäre auch die Grundlage für das Bonn-Berlin-Gesetz, das im Kern die Arbeitsteilung zwischen neuer und alter Hauptstadt regelt, eigentlich hinfällig. Hinzu kommt, dass die ewige Hin-und-Her-Pendlerei der Regierenden und ihrer Ministerien zwischen Berlin und Bonn und umgekehrt allen Betroffenen zunehmend auf die Nerven geht. Will man sich zu einer zweistündigen Besprechung treffen, ist man inklusive Rückreise einen ganzen Tag lang unterwegs. Johannes Kahrs, SPD-Bundestagsabgeordneter und Chef des einflussreichen Seeheimer Kreises, bringt es so auf den Punkt: Es sei nicht allein entscheidend, ob neue Büroräume in Berlin oder die ewige Pendlerei teurer sind. ,,Hier geht es darum, ob wir gut oder schlecht regieren wollen." Die Haushaltsexperten der im Bundestag vertretenen Parteien und andere Strippenzieher scheinen inzwischen jedenfalls entschlossen, auch die restlichen Ministerien in die neue Bundeshauptstadt zu holen. Schon wird geprüft, was ein Umzug kosten könnte, und was die tägliche Pendlerei von Beamten, Abgeordneten und Ministern mit Flugzeug, Bahn oder Auto jährlich an Steuergeldern verschlingt. Liegen die Berechnungen vor, soll die Diskussion darüber offen geführt und dann zügig entschieden werden. Der Polit-Wanderzirkus könne "kein Dauerzustand" sein, heißt es. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm versuchte gestern, den Ball möglichst flach zu halten. Die Regierung selbst plane keinen Umzug der in Bonn verbliebenen Ministerien. Dazu gebe es aber eine Diskussion "aus der Mitte des Bundestages". Dem Parlament stehe es zu, eine solche Frage zu diskutieren. Deren Ausgang werde man abwarten.

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