Die Pkw-Maut kommt - mit Fragezeichen

Berlin · Trotz aller Widerstände hat es Verkehrsminister Dobrindt geschafft: Sein schwierigstes Projekt, die Pkw-Maut, wird Gesetz. Doch wann und wie die neue Einnahmequelle wirklich sprudelt, ist weiter ungewiss.

Gewisse Beschwörungsformeln gehörten mit dazu. „Die Pkw-Maut für Ausländer kommt so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagte Alexander Dobrindt 2013 noch als CSU-Generalsekretär. „Die Maut kommt zu über 100 Prozent“, versicherte er als Bundesverkehrsminister mitten im politischen Ringen. Tatsächlich ist eines der heikelsten Projekte der großen Koalition jetzt beschlossene Sache. Auch die Abgeordnete Dr. Angela Merkel (CDU) stimmte am Freitag im Bundestag mit Ja. Dabei hatte die Kanzlerin einst beteuert: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“ Für die CSU ist es ein wichtiger Punktsieg auf der Berliner Bühne. Auf der Straße ist die Maut aber noch nicht.

Um das christsoziale Wunschprojekt Gesetz werden zu lassen, war Dobrindt mit dosiertem Tempo unterwegs. Lange wartete er damit, ein Konzept auf den Tisch zu legen. Am Ende brachten Union und SPD das Gesamtpaket binnen vier Wochen durchs parlamentarische Verfahren. Bis kurz davor blieb die wichtige Prognose der erhofften Einnahmen unter Verschluss. Die Koalitionäre hätten kein Interesse gehabt, „diesen Mautmurks prüfen zu lassen“, schimpfte Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens. Union und SPD sehen alles gründlich beraten. Mindestens zwei Fragezeichen bleiben aber auch nach diversen Sitzungen und Gutachten.

Offen ist zum einen, wie viel wirklich bei der Maut herausspringt. Dobrindt verspricht, dass nach Abzug der Kosten für das Mautsystem jährlich 500 Millionen Euro übrig bleiben - und zwar reserviert für Investitionen in marode Straßen und Brücken. „Keine Peanuts“, findet Unions-Verkehrspolitiker Ulrich Lange (CSU). Grünen-Expertin Valerie Wilms hält allerdings viel weniger für realistisch. „Damit können Sie vielleicht zwei Brücken pro Jahr erneuern. Das ist lächerlich für den ganzen Aufwand.“ Auch einige Wissenschaftler meldeten Zweifel an der Rechnung an. Schon etwas andere Annahmen, etwa bei Geschäftsreisenden aus dem Ausland, hätten Millionen-Effekte für die Kalkulation.

Fragezeichen Nummer zwei steht hinter der EU-Zulässigkeit der Maut. „Sie ist europarechtskonform, glauben Sie es endlich“, rief Dobrindt der Opposition zu. Garantiert ist dies aber trotz eines Gutachtens im Auftrag des Ministeriums nicht. Der Europäische Gerichtshof werde die Pläne kippen, prophezeite etwa der Bielefelder Rechtsprofessor Franz Mayer. Im Visier steht vor allem, dass nur Inländer für die Maut voll über eine geringere Kfz-Steuer entlastet werden sollen. Das EU-Recht verbietet aber Benachteiligung von Ausländern. Der erste dänische Autofahrer, der keine Maut zahlt und dafür ein Bußgeld bekommt, könne eine gerichtliche Prüfung des Gesetzes auslösen, warnt die Linke.

„Scharfstellen“ will Dobrindt die Pkw-Maut 2016. Wann genau, ist aber ungewiss. Ungeachtet der finanziellen und juristischen Fragezeichen ist zum Beispiel noch eine Ausschreibung für den künftigen privaten Mautbetreiber nötig. Ein größeres Interesse deutet sich schon an. Und das Gesetzespaket kommt voraussichtlich im Mai noch abschließend in den Bundesrat. Der kann die Maut zwar nicht mehr verhindern. Erste Ministerpräsidenten drohen aber schon mit dem Vermittlungsausschuss, um noch Ausnahmen für Autobahn-Abschnitte in grenznahen Regionen zu erreichen. Das würde das Verfahren um mehrere Wochen verlängern.

Weil sich die großen Fragezeichen nicht auflösen lassen, verhandelte die SPD einen Bürokratie- und Einnahmencheck ins Gesetz hinein. Zwei Jahre nach dem Start komme die Maut im Bundestag „auf Wiedervorlage“, betonte Fraktionsvize Sören Bartol. Bis dahin vertraut die SPD den Prognosen des Ministers, wie Haushälterin Bettina Hagedorn sagte: „Daran messen wir Sie, und dafür drücken wir Ihnen die Daumen.“

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