Interview Prof. Joachim Schild „Die Populisten wittern Morgenluft“

Trier · Der Trierer Wissenschaftler hält nach der Italien-Wahl eine neue Euro-Krise für möglich.

 Prof. Joachim Schild

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Foto: Andreas Thull

Der Ausgang der Italien -Wahl ist für Europa nicht ohne. Denn es bestehe Ansteckungsgefahr, sagt der Trierer Politikwissenschaftler Professor Joachim Schild im Gespräch mit Volksfreund-Redakteur Rolf Seydewitz. Je nach Reaktion der Märkte und einer möglichen Regierungsbeteiligung euroskeptischer Parteien sei eine neuerliche Euro-Krise nicht ausgeschlossen.

Die Rechtspopulisten gehören zu den Gewinnern der Italien-Wahl. Was bedeutet das?

JOACHIM SCHILD Es sind ja nicht nur die Rechtspopulisten. Die Fünf-Sterne-Partei ist ebenfalls eine populistische Partei, die sich aber nicht eindeutig links oder rechts einordnen lässt. Zählt man die Populisten zusammen, kommt man auf über 50 Prozent. Bei der Fünf-Sterne-Bewegung ist auch noch unklar, ob sie für eine Regierungsbeteiligung zur Verfügung steht. Das heißt: Die Regierungsbildung wird schwierig und kann sich zu einer Hängepartie entwickeln, weil die gemäßigten Kräfte die Wahl verloren haben. Es kann also Monate dauern, bis die Regierung steht oder bis es Neuwahlen gibt.

Woher kommt denn der Rechtsruck?

SCHILD Eine zentrale Ursache ist die wirtschaftliche Schwäche Italiens. Das Land wächst nur sehr langsam, hat eine schlechte Produktivitätsentwicklung. Italien hat eine hohe Jugendarbeitslosigkeit von über 30 Prozent, und damit verbunden breitet sich Zukunftspessimismus aus. Das hat sich auf die Wahl ausgewirkt – vor allem im Süden, wo die Fünf-Sterne-Bewegung stark abgeschnitten hat.

Im Wahlkampf haben die Parteien den Wählern den Himmel auf Erden versprochen. Droht dem Land damit nicht der wirtschaftliche Kollaps?

SCHILD Drohen könnte ein Vertrauensverlust an den Märkten, wenn einige der Versprechungen umgesetzt werden. Italien ist in einer verwundbaren Position: Es hat eine Staatsverschuldung von 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, dazu vielleicht bald schon steigende Zinsen auf die Schulden – und Parteien, die verantwortungslos mehr Ausgaben und Steuererleichterungen versprechen bis hin zu Steuerfreiheit fürs erste Auto und für Hundefutter. Die Fünf-Sterne-Bewegung hat eine Mindestrente und Bürgereinkommen von 780 Euro versprochen, Berlusconi eine Mindestrente von 1000 Euro. Das sind alles unbezahlbare Versprechungen.

Welche Auswirkungen wird die Wahl auf Europa haben?

SCHILD Überall in Europa jubeln jetzt die Rechtspopulisten. Sie wittern wieder Morgenluft, nachdem die Wahlen in Österreich, in den Niederlanden oder in Frankreich nicht nach ihren Wünschen ausgegangen sind. Italien zeigt, dass die Populismuswelle eben noch nicht abgeebbt ist. Aber natürlich werden Entscheidungen in Brüssel schwieriger. Erst hat man monatelang auf eine Regierungsbildung in Deutschland gewartet, und jetzt kommt eine Hängepartie in einem anderen wichtigen Land, das für die Zukunft der Eurozone von zentraler Bedeutung ist, hinzu. Italien ist neben Griechenland das schwächste Glied. Würde Italien aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Euro ausscheiden, wäre das ein Schlag ins Kontor. Dann wird man sich fragen, ob die Eurozone das überleben kann.

Wird der Wahlausgang auch Auswirkungen auf die Flüchtlingspolitik haben?

SCHILD Das kommt auf die Regierungskonstellation an. Wenn die Lega-Partei beteiligt ist, mit Sicherheit. Sie wollen einen restriktiveren Kurs, haben mit Flüchtlingspolitik ihren Wahlkampf bestritten. Es ist also damit zu rechnen.

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