Die Reform, die zum Rechtsstreit werden könnte

Mainz · Die einen müssen fusionieren und wollen nicht, andere möchten und dürfen nicht: Die rheinland-pfälzische Kommunalreform läuft alles andere als reibungslos. Nun legt ein neues Gutachten Gemeinden nahe, zu klagen.

Mainz. Verbandsgemeinden zu vereinigen, ist ein schwieriges Geschäft. Denn freiwillig wollte im Rahmen der Kommunalreform kaum eine Kommune von der Landkarte verschwinden. In der Region Trier erklärten sich dazu nur die Verbandsgemeinden (VG) Neumagen-Dhron und Kyllburg bereit. Andere wehren sich nun vehement gegen die vom Land geplanten Zwangsfusionen und wollen dies notfalls auch auf rechtlichem Wege tun.
So würde der Gemeinderat Bausendorf lieber geschlossen zurücktreten als einer Fusion zwischen den Verbandsgemeinden Kröv-Bausendorf und Traben-Trarbach zuzusehen. Die VG Manderscheid will notfalls vor Gericht ziehen, um eine für Juli 2014 geplanten Zwangsehe mit Wittlich-Land zu verhindern. Und auch an der oberen Kyll ist man unglücklich, soll die VG doch mit Hillesheim fusionieren, obwohl man in einigen Dörfern doch lieber zu Prüm würde. Und die VG Irrel, vom Land für Neuerburg als Braut bestimmt, hat vor wenigen Tagen angekündigt, Verfassungsbeschwerde einzulegen.
"Rechtlich verfehlt"



Professor Johannes Dietlein (Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) hält das für sinnvoll und aussichtsreich. Gemeinsam mit Markus Thiel, Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen arbeitet er im Auftrag des rheinland-pfälzischen Gemeinde- und Städtebundes an einem Gutachten zur Kommunalreform. Darin geht es um die verfassungsrechtlichen Grenzen von Fusionen gegen den erklärten Willen einzelner Gemeinden sowie um prozessrechtliche Fragen.
Die am Montag präsentierte Zwischenbilanz der Juristen dürfte den rebellischen Kommunen gefallen. Zieht der Städtebund daraus doch den Schluss, dass es sich lohnt, gegen Zwangsfusionen zu klagen.
Grundsätzlich sei es nicht zu beanstanden, dass die Landesverwaltung reformiert werden soll, sagen die Gutachter. Das war dann aber auch schon alles, was sie nicht zu beanstanden hatten. Denn danach reiht sich in der Zusammenfassung ihrer Zwischenergebnisse ein Kritikpunkt an den nächsten. Es bedürfe eines ganzheitlichen Ansatzes, der schon bei der Frage der Verwaltungsaufgaben beginnt und alle Ebenen betrachtet. Allein die Zusammenlegung von Gemeinden sei kein brauchbares Konzept - zumal die These, dass größere Gemeinden effizienter arbeiteten, als kleinere nicht belegt sei und Fusionen die "demografische Schieflage" verschärfen könnten
."Rechtlich und politisch verfehlt ist die Bindung der Gemeindereformen an die veralteten Kreisgrenzen", heißt es weiter. Hier fehle die Zukunftsperspektive. Ebenso verfehlt sei die zeitliche Staffelung. "Man kann größere Räume nicht neu gliedern, indem man stückweise von Ort zu Ort geht. Hier bedarf es eines geschlossenen Konzeptes", finden die Gutachter. Das gestückelte Vorgehen stoße in der Bevölkerung zu Recht auf Kritik.
Innenminister Roger Lewentz plant unterdessen unbeirrt, im Jahr 2013 die Gesetzentwürfe zu den Zwangsfusionen vorzulegen. Er geht, das sagte er zumindest noch im Oktober, von der Rechtssicherheit der Vorhaben aus. "Wir freuen uns, wenn wir bei dem weiteren Reformprozess den Gemeinde- und Städtebund an unserer Seite haben", sagt Lewentz. Denn die Grundsatzentscheidung zugunsten einer Reform werde von den Gutachtern ja nicht beanstandet.Extra

Ziel der Reform ist, dass Verbandsgemeinden nicht weniger als 12 000 Einwohner haben - damit sollen sie Kosten sparen. Nach einer freiwilligen Phase sind laut Innenministerium nun 13 gesetzlich vorgeschriebene Fusionen von 27 Kommunen geplant. Darunter in der Region Trier: Kröv-Bausendorf und Traben-Trarbach, Hillesheim und Obere Kyll, Manderscheid und Wittlich-Land sowie Irrel und Neuerburg. Die erste Stufe der Reform soll bis Mitte 2014, rechtzeitig zur Kommunalwahl, vollzogen sein. Danach soll bis 2019 die zweite Stufe erfolgen. Sie betrifft die Verbandsgemeinden, bei denen Gebietsänderungen Kreisgrenzen tangieren. Für Kell, Thalfang, Speicher und Kelberg läuft also eine Galgenfrist, sie werden ebenfalls fusionieren müssen. Ab Mitte 2014 wird es auch um die Kreise und kreisfreien Städte gehen. Das Ministerium lässt durchblicken, der Vulkaneifelkreis mit 60 000 Einwohnern sei zu klein. fcg

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