Die Regierung hat "sträflich versagt"

Angesichts der hitzig geführten Debatte über neue Sicherheitsgesetze hat der Bundesdatenschutzbeauftragte, Peter Schaar, der Regierung schwere Versäumnisse beim Datenschutz vorgeworfen.

Der Staat müsse seine Bürger nicht nur vor Terrorismus und Kriminalität schützen, sondern auch "vor Ausforschung und Datenmissbrauch", sagt Peter Schaar. Dabei habe die Regierung "sträflich versagt", kritisierte der Bundesdatenschutzbeauftragte gestern bei der Vorstellung des aktuellen Datenschutzberichts in Berlin. Mit dem "Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz" und der Anti-Terror-Datei seien die Sicherheitsvorkehrungen in den vergangenen zwei Jahren massiv erweitert worden. So hätten Polizeibehörden Kenntnis von Daten erhalten, die sie "nicht hätten selbst erheben dürfen", klagte Schar. Es fehle auch an einer wissenschaftlich fundierten Prüfung der Eingriffsbefugnisse durch unabhängige Stellen, meinte der Datenschützer. Durch das neue Gesetz können die Nachrichtendienste unter erleichterten Bedingungen Auskünfte bei Banken, Luftverkehrs- und Telekommunikationsunternehmen einholen.Warnung vor heimlichem Ausspähen

Vor diesem Hintergrund warnte Schaar auch vor den jetzt diskutierten Online-Durchsuchungen von Computern. Ein heimliches Ausspähen etwa der Festplatte sei mit dem Verfassungsrecht unvereinbar. Sorgen bereitet Schaar auch die zunehmende Ausstattung der Reisepässe mit biometrischen Daten. Seit Ende 2005 wurden bereits knapp drei Millionen Pässe mit einem digitalisierten Lichtbild ausgegeben. Auf dem entsprechenden Chip sollen demnächst auch die digitalisierten Abdrücke der Zeigefinger gespeichert werden. Mit den entsprechenden Vorgaben der EU gehe Europa einen Sonderweg, bemängelte Schaar. Weltweit würden nur sehr wenige Staaten von einer Speicherung der Fingerabdrücke in ihren Pässen Gebrauch machen. Die große Koalition streitet noch darüber, ob die Fingerabdrücke nur im Pass gespeichert werden sollen. Die Union fordert, dass sie auch bei den Meldeämtern hinterlegt werden, wie schon bei den Passbildern. Das lehnt die SPD ab. Vom Tisch ist aber offenbar die Einrichtung einer zentralen Datei zur Erfassung aller Fingerabdrücke. Dafür hatte sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) stark gemacht, was aber auch in den Unionsreihen auf Ablehnung stieß. Morgen sollen die Verhandlungen zwischen den Regierungsparteien fortgesetzt werden.Appell an Bürger: Bewusstsein entwickeln

Der Datenschutzbeauftragte sieht in der Digitalisierung von Passfotos und Fingerabdrücken grundsätzlich ein Einfallstor für die Speicherung weiterer sensibler Daten wie etwa der in der DNA codierten Erbinformation. Schaars Vorwürfe zielten allerdings nicht nur auf die politischen Protagonisten. Auch bei vielen Bürgern gehe die "Tendenz zum elektronischen Exhibitionismus". Die Leute müssten ein Bewusstsein dafür entwickeln, ob sie ihre Daten in Internet-Foren oder durch Rabatt-Karten offen legen wollten - zumal auch die Privatwirtschaft daran zunehmend ein Interesse habe. "Mancher, der heute seine persönlichsten Informationen preisgibt, wird später, wenn er sich um einen Arbeitsplatz bewirbt, diese Freizügigkeit verfluchen", warnte Schaar. In den vergangenen zwei Jahren registrierte der Datenschutzbeauftragte 5516 Eingaben. Sie reichten von der Sorge über einen Missbrauch individueller Gesundheitsdaten bis zu Beschwerden über "aggressives Telefonmarketing". Auch dagegen biete der Staat keinen wirksamen Schutz, rügte Schaar.

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