"Die Regierung predigt Wasser und bleibt selbst beim Wein"

BERLIN. Große Koalition, große Kosten? Dieser schlechte Eindruck politischer Selbstbedienung drängt sich jedenfalls auf, betrachtet man den neuen, stark aufgeblähten Regierungsapparat der schwarz-roten Koalition.

Das frisch geschmiedete Regierungsbündnis, das gebetsmühlenhaft erklärt, alle Bürger müssten sich auf drastische Sparmaßnahmen einstellen, damit der marode Bundeshaushalt endlich saniert wird, gerät bereits kurz nach der Vereidigung heftig unter Beschuss. FDP-Chef Guido Westerwelle brachte es am Donnerstag so auf den Punkt: ,,70 Regierungsmitglieder sind rekordverdächtig. Bei einer so aufgeblähten Bundesregierung ist die Bezeichnung große Koalition tatsächlich angemessen." Bei den kleinen Beamten, den Wehr- und Zivildienstleistenden wolle die Regierung das Weihnachtsgeld streichen, sagte Westerwelle. "Aber gleichzeitig die Regierung aufzublähen, das untergräbt die moralische Autorität der Regierenden. Die Regierung predigt Wasser für die Bürger, bleibt aber selbst beim Wein." Dieses Verhalten sei dreist und frech, meinte der FDP-Chef weiter. Aufbläh-Beispiel Nummer eins: Schnell waren sich Schwarz und Rot vor Wochen einig, dass die SPD im neuen Bundestag zwei statt einen Vizeposten an der Parlamentsspitze kriegen sollte. Macht unter dem Strich einen Präsidenten und sechs Vizepräsidenten. Auch der zusätzliche Vize bekommt 13 512 Euro im Monat, plus Dienstwagen und viele andere Vergünstigungen. Durch die Zeit im Präsidium erhöht sich zudem die spätere Abgeordnetenpension. Aufbläh-Beispiel Nummer zwei: Statt bislang 14 Minister werkeln in der neuen Bundesregierung 15. Macht nicht nur einen Minister mehr für rund 12 820 Euro im Monat plus vieler weiterer Vergünstigungen. Ein zusätzliches Ministerium braucht eine eigene Logistik, eine Mannschaft und ein zusätzliches riesiges Dienstgebäude. Nach Steuerzahlerbund-Schätzung kostet der ganze Spaß den Bürger gut 150 bis 200 Millionen Euro pro Jahr. Aufbläh-Beispiel Nummer drei: Neben den 24 beamteten Staatssekretären werkeln künftig 30 statt bislang 26 parlamentarische Staatssekretäre in den 15 Ministerien. Ein parlamentarischer Staatssekretär ist ein wohlhabender Mensch. Ihm stehen 9850 Euro an monatlichen Amtsbezügen zu. Die Dienstaufwandsentschädigung beträgt 2760 Euro im Jahr. Hinzu kommen eine von 7009 auf 4059 Euro gekürzte monatliche Abgeordnetenentschädigung und eine steuerfreie Kostenpauschale als Abgeordneter von 2691 Euro. Nicht zu vergessen ein Weihnachtsgeld in Höhe von stolzen 6048 Euro. Dann gibt es noch eine prestigeträchtige Dienstlimousine (7er-BMW, Audi A 8 oder Mercedes S-Klasse), plus Fahrer, versteht sich. Neben dem Abgeordnetenbüro, das jeder parlamentarische Staatssekretär behalten darf, verfügt er über ein "repräsentatives Dienstbüro" im jeweiligen Ministerium. Dann hat jeder Staatssekretär einen persönlichen Referenten, einen Sachbearbeiter und zwei Sekretärinnen - und so weiter. Kurzum: Ein parlamentarischer Staatsekretär kostet Vater Staat laut Berechnungen des Bunds der Steuerzahlen gut 500 000 Euro im Jahr. Und das 30-mal. Karl Heinz Däke vom Bund der Steuerzahler: ,,Wer von anderen Verzicht verlangt, sollte mit gutem Beispiel vorangehen." Pro Ministerium reiche neben den beamteten Staatssekretären ein parlamentarischer Staatssekretär völlig aus. Eigentlich, so Däke, könnten diese Posten auch ganz abgeschafft werden. Der Haushaltsexperte der Union, Steffen Kampeter, kündigte angesichts der heftig entbrannten Diskussion um die Staatssekretäre gestern an, die Mehrausgaben durch die zusätzlichen Posten würden an anderer Stelle wieder hereingeholt. ,,Ich gehe davon aus, dass die betroffenen Bundesminister mit Vorlage des neuen Haushalts 2006 entsprechende Vorschläge machen werden." Fritz Kuhn, der neue Fraktionschef der Grünen bewertet das gallig: ,,Mit Sparen hat das alles nicht zu tun. Das ist reine Postenjägerei."

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