Die Regierung setzt den Rotstift an

Die Vorstellungen, wie der Staat Geld einsparen oder einnehmen kann, werden immer konkreter: Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Die Vorschläge sind aber noch umstritten.

Berlin. Die Sparbemühungen der Bundesregierung nehmen konkrete Gestalt an. Nach Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kam nun auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit detaillierten Rotstift-Überlegungen aus der Deckung.

Die am wenigsten wirksamen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen "müssen gestrichen werden", sagte sie in einem Interview. Stichproben zeigten, "dass das etwa ein Fünftel der Maßnahmen sein könnten", so die Ministerin. Auch der liberale Koalitionspartner ging nun in die Spar-Offensive. FDP-Generalsekretär Christian Lindner will Hartz-IV-Empfängern nur noch eine Mietkostenpauschale zugestehen und das von der CSU geforderte Betreuungsgeld kippen. Alle drei Vorschläge sind allerdings umstritten.

ARBEITSMARKT: Zur Bekämpfung der der Arbeitslosigkeit gibt es mittlerweile rund 60 verschiedene staatliche Förderprogramme. Der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern stehen dafür in diesem Jahr knapp elf Milliarden Euro zur Verfügung. 6,6 Milliarden davon kommen direkt aus dem Bundeshaushalt. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg untergliedern sich die Förderprogramme in fünf große Gruppen: betriebsnahe Instrumente wie Gründungs- und Lohnkostenzuschüsse, Förderung der beruflichen Weiterbildung, Bewerbertraining, Arbeitsvermittlung durch private Agenturen sowie die öffentlich geförderte Beschäftigung, also zum Beispiel Ein-Euro-Jobs. In der Praxis haben sich die betriebesnahen Instrumente für eine Arbeitsaufnahme als besonders wirkungsvoll erwiesen. Dagegen gelingt die Integration in den ersten Arbeitsmarkt durch Vermittlung Dritter kaum besser als durch die Arbeitsagenturen. Besonders problematisch im Sinne dieses Ziels ist die öffentlich geförderte Beschäftigung. IAB-Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Chance, später in der Privatwirtschaft einen Job zu finden, dadurch sogar verschlechtern kann. "Solche Fördermaßnahmen zu streichen hieße aber, dass man die schwer Vermittelbaren gänzlich abschreibt", gibt IAB-Vizedirektor Ulrich Walwei zu bedenken. Insgesamt gesehen ließen sich aber bestimmte Förderprogramme wegen ihrer weitgehend identischen Ausrichtung vereinheitlichen. "Ob man damit aber ein Fünftel der Kosten sparen kann, ist fraglich, denn am Ende würde man den gleichen Personenkreis nur auf wenigere Programme verteilen", sagt Walwei.

MIETPAUSCHALE: Im Vorjahr kostete die Unterbringung (Miete plus Heizung) der Hartz-IV-Empfänger nach Angaben des Deutschen Städtetages knapp 14 Milliarden Euro. 2,6 Milliarden davon übernahm der Bund. Welche Wohnung angemessen ist, entscheidet heute praktisch jede Kommune für sich. Die Mietobergrenze errechnet sich dabei in der Regel aus einer bestimmten Quadratmeteranzahl pro Person und dem örtlichen Mietespiegel. Übersteigt die Miete diesen Wert, muss der Betroffene umziehen. Schon bei der Hartz-Gesetzgebung im Jahr 2004 gab es Überlegungen, die Mietkosten zu pauschalieren. Wegen der starken regionalen Differenzierung des Mietniveaus wurde die Idee aber als unpraktikabel verworfen. Experten bezweifeln auch, ob eine Pauschalierung wirklich Geld spart. Zwar wären die Verwaltungskosten für die Kommunen geringer. Für viele, die in einer preiswerten Wohnung leben, würde sich aber auch der Mietzuschuss erhöhen. Ist die Pauschale dagegen zu gering, droht sie mit dem verfassungsrechtlichen Existenzminimum zu kollidieren.

BETREUUNGSGELD: Dem Koalitionsvertrag zufolge soll Eltern ab 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von monatlich 150 Euro gezahlt werden, wenn ihr Kind nicht im Kindergarten, sondern daheim betreut wird. Auch dieser Passus steht zwar unter Finanzierungsvorbehalt, aber das Betreuungsgeld an sich ist bereits gesetzlich verankert. Die Koalition selbst müsste es wieder ändern. Dies lehnt aber die CSU ab. "Das Betreuungsgeld kann nicht unter dem Vorwand des Sparzwangs einkassiert werden", sagte der CSU-Sozialexperte Johannes Singhammer unserer Zeitung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort