Die Reichen sollen es richten

Berlin · Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und weiteren Organisationen hat gestern einen neuen Anlauf gestartet, um Reiche stärker zu besteuern.

Berlin. Angesichts der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich sowie einer rasanten Staatsverschuldung sei die Zeit "reif für Umverteilung", meinte Verdi-Chef Frank Bsirske. Reichtum sei in Deutschland immer noch ein Tabu, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. "Ohne Umverteilung gibt es keinen nachhaltigen Sozialstaat".
Die Initiative "Um-fair- teilen" fordert eine Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine einmalige Vermögensabgabe sowie höhere Einkommen- und Erbschaftsteuern. Über die konkreten Steuersätze und das erwartete Aufkommen herrscht allerdings keine Einigkeit. Auch die Verwendung der zusätzlichen Mittel ist offenbar umstritten. Während Bsirske erklärte, die beste Schuldenbremse sei eine Vermögensabgabe und dabei vorrechnete, dass ein Prozent der reichsten Deutschen über so viel Kapital verfügt, wie die derzeitige Staatsverschuldung in Höhe von über zwei Billionen Euro ausmacht, beklagte Schneider die Geldknappheit in den Kommunen, eine unterfinanzierte Pflegereform und Defizite bei Hartz IV. Auch eine Vertreterin des globalisierungskritischen Netzwerks Attac meinte, dass man sich nicht aus der Krise heraussparen könne.
Von den Parteien im Bundestag macht sich nur die Linke für eine Umverteilung im großen Stil stark. Linken-Chefin Katja Kipping hatte kürzlich sogar die Forderung erhoben, alle Einkommen über 40 000 Euro im Monat müssten zu 100 Prozent besteuert werden. Das ging selbst vielen ihrer Parteifreunde zu weit. Die Beschlusslage der Linken sieht eine Wiedereinführung des Spitzensteuersatzes von 53 Prozent vor, wie es ihn schon in der Kohl-Ära gab. Daneben hat die Linke allerdings ein ganzes Arsenal von "Reichensteuern" im Angebot. Die Pläne reichen von der Millionärssteuer über die drastische Anhebung der Erbschaftsteuer bis zu einer Spekulantensteuer. Allein die Millionärssteuer, bei der fünf Prozent auf Vermögen ab einer Million Euro fällig würden, soll dem Staat laut Linke 80 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr einbringen.
Bei der SPD war das Thema lange Zeit in Vergessenheit geraten. Erst auf ihrem Berliner Parteitag im Vorjahr wurden einschneidende Steuerbeschlüsse gefasst. Der einst von den Genossen selbst auf 42 Prozent zusammengestrichene Spitzensteuersatz soll demnach auf 49 Prozent steigen, allerdings erst ab individuellen Einkommen von 100 000 Euro im Jahr. Gegenwärtig greift der Spitzensatz für einen Alleinverdiener schon bei einem Verdienst von knapp 53 000 Euro. Die Abgeltungssteuer auf Kapitalanlagen soll von 25 auf 32 Prozent steigen. Den Ländern empfahl man damals die Wiedereinführung der Vermögensteuer, denn ihnen steht auch das Aufkommen daraus zu.
So war es schon bis 1997. Damals wurde die Vermögensteuer vom Bundesverfassungsgericht gestoppt. Die Richter störten sich allerdings nicht an der Steuer selbst, sondern an der Art und Weise ihrer Erhebung. Denn Immobilien wurden gegenüber Geldvermögen begünstigt. Die rot-grün geführten Bundesländer haben bereits eine Initiative zur Wiederbelebung der Vermögensteuer angekündigt. Eine entsprechende Vorlage soll im Herbst den Bundesrast beschäftigen. Das erwartete Aufkommen wird mit bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Das wäre etwa doppelt so viel wie in der Zeit vor 1997.
Dabei sieht die grüne Beschlusslage eigentlich nur eine zeitlich befristete Vermögensabgabe vor, um die Kosten der Schuldenkrise zu schultern. Durch hohe Freibeträge soll lediglich knapp ein Prozent der vermögendsten Deutschen belastet werden. Pro Jahr kämen demnach etwa zehn Milliarden Euro extra in die Staatskasse.
CDU, CSU und FDP indes lehnen eine stärkere Besteuerung Vermögender weiter ab.

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