Die Revolution ist ausgeblieben

TRIER. Familie ist wieder in. Die Jugend bekennt sich zur traditionellen Lebensform und sehnt sich nach Ehe und Nachwuchs. Heiraten, Kinder kriegen - das klassische Familienbild liegt deutlich vor allen anderen Lebensformen.

Von wegen Null Bock auf Familie. Glaubt man den neuesten Umfragen und Studien, dann liegt Familie voll im Trend. Und das nicht nur bei den Älteren, sondern auch bei der jüngeren Generation. Ehe, Kinder, Familie sind gefragter als Spaß und Sport. Das jedenfalls behauptet der Freizeitforscher Hort Opaschowski. Heirat und Familiengründung seien wieder ein Thema für die Jungen. Der Trend zur Individualisierung habe seinen Zenit erreicht, erklärt Opaschowski: "Die Gesellschaft der Ich-linge befindet sich auf dem Rückzug. Die Mehrheit der jungen Leute entdeckt die Werte von Beständigkeit und Verlässlichkeit wieder."Während 1999 nur 52 Prozent der von ihm Befragten zwischen 14 und 34 etwas von Heirat und Familiengründung wissen wollten, waren es in diesem Jahr 56 Prozent. Der Freizeitforscher sieht darin eine klare Trendwende: Die Jugend erkenne, dass Kinder und Familie mehr Lebenserfüllung brächten, als immer nur an sich selbst zu denken. "Irgendwann hört der Spaß auf, wenn die Sinnfrage unbeantwortet bleibt."Bislang galt die klassische Familie immer als Auslaufmodell. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein, wenn man in den aktuellen Mikrozensus ("Volksbefragung") "Leben und Arbeiten in Deutschland" blickt. Den Statistikern zufolge lebten im vergangenen Jahr neun von zehn (89 Prozent) Paaren in einer Ehe. Lediglich jedes zehnte (elf Prozent) Paar von insgesamt 21,6 Millionen Paaren lebte in "nichtehelicher oder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft". "Familie ist die beliebteste Lebensform in Deutschland", stellte daher jüngst Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) fest. Die Zahl der Familien hat sich zwischen 1991 und 2000 von 22 auf 22,4 Millionen erhöht.Die Revolution in Sachen Familie ist ausgeblieben. Von einigen war angekündigt worden, dass neue Lebensformen die Ehe immer mehr verdrängen würden und die moderne Frau von Kindern wenig wissen wolle und stattdessen lieber ans Geldverdienen denke. Zwar sei das traditionelle Hausfrauenmodell in deutschen Familien nicht mehr so dominant, stellte das Bundesfamilienministerium in der aktuellen Studie "Partnerschaft und Familiengründung" fest. Doch, so die Erkenntnis der Forscher: "Vielfach leben die Familien noch nach traditionellem Muster, weil es nach wie vor zu wenig Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt."Vereinbarung von Familie und Beruf bleibt schwierig

Die meisten westdeutschen Frauen (40 Prozent) gingen nach Ablauf der Elternzeit nach der Geburt ihres Kindes zunächst nicht wieder arbeiten. Wenn Kinder da sind, wachsen sie zumeist in einem traditionellen Familienverbund (zusammenlebendes Ehepaar) auf. Von den 12,7 Millionen minderjährigen Kindern in Deutschland lebten 2002 83 Prozent bei ihren verheirateten und zusammenlebenden Eltern auf.Alleinerziehende machen laut den Datenerhebern des Statistischen Bundesamtes ein Fünftel (19 Prozent) der Eltern-Kind-Gemeinschaften aus. Nichteheliche oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit Kindern liegen bei sechs Prozent.Schon plädieren Konservative dafür, dass die Politik sich mehr um die klassische Familie kümmern müsse, statt sich der Frage zu widmen, wie die Situation allein erziehender Väter und Mütter verbessert werden kann. Fest steht: Der von vielen befürchtete und einigen erhoffte gesellschaftliche Wandel in deutschen Wohnzimmern hat in der vorausgesagten Form nicht stattgefunden. Familie und Ehe haben weiter Bestand. Zwar ist das Muster "ledig-verheiratet-zwei Kinder-verwitwet" durch andere ergänzt worden, doch diese Pluralisierung hat ihre Grenzen. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die Studie aus dem Hause Schmidt.Auch Freizeitforscher Opaschowski hat festgestellt, dass die Meinung "Man kann auch ohne Ehe, Kinder und Familie glücklich sein", für die heutige junge Generation kein Thema mehr ist. Waren es 1994 noch 46 Prozent, die so dachten, sind es jetzt 37 Prozent. Doch ganz so wie ihre Eltern will die so genannte Generation@ jedoch nicht leben. Familie Ja, aber trotzdem nicht auf gewisse Freiheiten und eigene Interessen verzichten. Opaschowski: "Lebensgenuss und Lebenserfüllung schließen sich für sie nicht mehr aus. Die junge Generation will beides." Auch das wird keine Revolution auslösen, aber es könnte das traditionelle Familienbild ein wenig modernisieren.

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