Die Sache mit den Rx-Pillen

Trier · Apotheker wehren sich massiv gegen den Internetversand von rezeptpflichtigen Medikamenten. Gesundheitsminister Hermann Gröhe will diesen Handel verbieten. Doch der Koalitionspartner SPD stellt sich quer.

Rx-Versandhandel. Darin sehen die Betreiber von Apotheken einen Grund für ihre Existenzprobleme. Rx steht für rezeptpflichtige Medikamente. Und die dürfen nicht nur in der Apotheke um die Ecke verkauft werden, sondern auch von im Ausland ansässigen Internetapotheken. Und das sogar billiger. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte nämlich Ende 2016 die deutsche Regelung verworfen, wonach die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel auch für ausländische Versandapotheken gelten soll. Diese können den Kunden somit weiterhin Boni gewähren. Viele Apothekenbesitzer in Deutschland sehen sich dadurch benachteiligt. "Ich kann diese Entscheidung nicht verstehen. Sie ist ein deutlicher Rückschritt für den Patienten, der womöglich bald im Krankheitsfall nach dem niedrigsten Preis für sein verschriebenes Arzneimittel suchen muss", sagt Theo Hasse. Er betreibt in Zerf (Trier-Saarburg) eine Apotheke und ist Vorsitzender des rheinland-pfälzischen Apothekerverbandes. Zusammen mit der Landesapothekerkammer macht der Verband massiv Stimmung gegen die unliebsame Konkurrenz durch die Versandapotheken. "Es ist vielleicht ärgerlich, dass Patienten in Ausnahmefällen mal ein paar Kilometer zur nächsten Notdienst-Apotheke fahren müssen. Aber dort bekommen sie das erforderliche Medikament. Die Internetapotheke versorgt sie im Notfall nicht", sagt Arnulf Klein. Er ist Geschäftsführer der Landesapothekerkammer.
Die Versandapotheken ganz zu verbieten, das wissen auch die Apotheker, das geht nicht. Daher fordern sie, dass sich der Medikamentenverkauf im Internet nur noch auf rezeptfreie Mittel beschränken darf. Bei Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) finden sie dafür ein offenes Ohr. Er plant ein Verbot des Versandhandels für rezeptpflichtige Medikamente. Unterstützung findet er dabei allerdings nicht beim Koalitionspartner der SPD. Sie lehnt ein solches Verbot ab. Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, selbst Sozialdemokratin, liegt dabei allerdings nicht auf Parteilinie. Sie unterstützt, wie auch die Grünen und Linken, Gröhes Gesetzentwurf "mit dem Ziel, die Landapotheken nach dem EuGH-Urteil vor Preisdumping der Versandapotheken zu schützen", wie sie unserer Zeitung sagte.
"Ein ruinöser Preiskampf zulasten unserer Apotheken muss verhindert werden", fordert auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Viele der 150 000 Arbeitsplätze in den deutschen Apotheken stehen ihrer Ansicht nach auf dem Spiel.
Für die Deutsche Stiftung Patientenschutz sind dies Aussagen jedoch nicht nachvollziehbar. "Die Union gibt sich als Schutzpatron der deutschen Apotheker", sagt Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Doch der Versandhandel bedeutet nicht das Ende der Patientenversorgung. Vielmehr müssten die Apotheker vor Ort ihren Service verbessern - etwa durch einen modernen Lieferservice. Auch die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz sieht sowohl in der Apotheke vor Ort als in der Internetkonkurrenz Vor- und Nachteile. Vor Ort gebe es zumeist persönliche Beratung, dafür sei dort der Preisvergleich schwierig, und das komplette Sortiment könne nicht eingesehen werden. Internetapotheken böten Preisvorteile und ließen sich bequem von zu Hause aus bedienen. "Sie eignen sich besonders für Personen, die einen planbaren Medikamentenbedarf haben und sich mit dem Internet gut auskennen", heißt es bei der Verbraucherzentrale. Nachteile dabei seien unter anderem, dass es keine akute Versorgung mit Medikamenten gebe, mehrtägige Lieferzeiten und die Versandkosten können Preisersparnisse zunichte machen. Laut einer vom Verband der Ersatzkassen (VDEK) in Auftrag gegebenen Umfrage nutzen derzeit ohnehin nur wenige Patienten Internetapotheken für die Bestellung von rezeptpflichtigen Medikamenten. Nur etwa jeder Zehnte kann sich überhaupt vorstellen, in Zukunft dort sogenannte Rx-Medikamente zu bestellen. Als Hauptgründe für die Pillen-Bestellung per Computer nannten die Befragten günstige Preise, den einfachen Bestellvorgang und die schnelle Lieferung. Daher dürfe man den zusätzlichen Versorgungsweg übers Internet den Versicherten nicht verwehren, sagt VDEK-Chefin Ulrike Elsner. Auch die Gesundheitsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kordula Schulz-Asche, warnt vor einer Verteufelung der Versandapotheken. Die Verbotsdebatte um den Versand verschreibungspflichtiger Medikamente sei absurd, sagt sie. Mit den Ängsten der Apotheker und Patienten dürfe man keinen Wahlkampf machen. Es ist ohnehin zu vermuten, dass es vor der Bundestagswahl im September keine Einigung über Gröhes Gesetzentwurf geben wird.Extra: IMMER WENIGER APOTHEKEN


(dpa) Zu Jahresbeginn gab es laut dem Deutschen Apothekerverband (DAV) bundesweit 20 023 Apotheken, so wenige wie nie seit der Wiedervereinigung. In den vergangenen Jahren seien je etwa 200 Apotheken weggefallen - zum Jahresende könnte die Zahl deutlich unter 20 000 liegen. "Rückgänge gab es in allen Bundesländern", sagt DAV-Vorsitzender Fritz Becker. "Aber sie haben für die Patienten in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Auswirkungen: Gerade in strukturschwachen Regionen, in ländlichen Gemeinden, aber auch in Außenbezirken und Wohngebieten von Großstädten müssen wir wachsam bleiben." Versorgungslücken gebe es noch nicht, aber es dürften eben auch keine entstehen.Extra: APOTHEKER WEHREN SICH GEGEN APOTHEKENPREIS


(red) Die meisten Arzneimittel, die in einer Apotheke abgegeben werden, sind laut dem rheinland-pfälzischen Apothekerverband auf einem ärztlichen Rezept verordnet. Rund 85 Prozent des Umsatzes einer niedergelassenen Apotheke machten diese verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus. "Für diese verordneten Medikamente werden die Preise nach strengen, gesetzlich festgelegten Regeln erstellt, die der Apotheker beachten muss", sagt Andreas Hott, Vorstand des Verbandes. Nur für die restlichen etwa 15 Prozent seines Geschäftes - für die freiverkäuflichen oder apothekenpflichtigen Arzneimittel - dürfe der Apotheker seine Preise frei kalkulieren. "Darum trifft der umgangssprachliche Begriff der ‚Apothekenpreise' schon lange nicht mehr zu. In der bundeseinheitlich geltenden Arzneimittelpreis-Verordnung (AMPreisV) seien die Preise für verordnete Arzneimittel genau geregelt: "Pro Medikament erhält der Apotheker 8,35 Euro sowie drei Prozent vom Apothekeneinkaufspreis." Hott weiter: "Der Preis wird in Deutschland ganz wesentlich von den Herstellern bestimmt." Die Arzneimittelpreis-Verordnung verbiete dem Apotheker, Rabatte an die Patienten zu gewähren. Auch die Zuzahlung zwischen fünf und zehn Euro, die Patienten auf bestimmte Medikamente zahlen müssten, blieben nicht in der Apotheke, sondern würden an die Krankenkassen abgeführt.

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