"Die schwierige Arbeit verläuft absolut zufriedenstellend"

Mainz · Die rot-grüne Koalition in Rheinland-Pfalz ist so gut aus den Startlöchern gekommen, dass es keiner Stellschrauben bedarf: Diese Bilanz zieht nach 100 Tagen Regierung Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) im Gespräch mit dem TV.

Mainz. SPD-Regierungschef Kurt Beck ist im Interview mit dem TV voll des Lobes für die Zusammenarbeit mit seinem grünen Koalitionspartner im Land. Das Gespräch mit Kurt Beck führten unsere Mitarbeiter Dietmar Brück und Manfred Ruch.

Wie ist es, mit den Grünen zu regieren? War es schöner, eine Alleinregierung zu führen?
Kurt Beck: Für einen Politiker, der auch Partei- und Grundsatzinteressen hat, ist eine Alleinregierung immer der bessere Weg. Aber die Wähler haben entschieden. Ingesamt hat sich die Zusammenarbeit, aber auch das menschliche Miteinander von SPD und Grünen sehr schnell positiv entwickelt.

Wirtschaftsministerin Eveline Lemke hat ein rot-grünes Nebeneinander kritisiert. Wie bewerten Sie diese Aussage?
Beck: Ich habe diese Äußerung etwas differenzierter wahrgenommen als Sie. Und ich glaube auch nicht, dass Eveline Lemke das heute noch so sagen würde. Derzeit arbeiten wir gemeinsam sehr gut daran, die Schuldenbremse einzuhalten und einen Doppelhaushalt auf die Beine zu stellen. Er wird viele prägende Entscheidungen für die kommenden acht Jahre beinhalten. Diese schwierige Arbeit verläuft absolut zufriedenstellend.

Haben Sie Stellschrauben nachdrehen müssen, indem Sie die Grünen beispielsweise stärker eingebunden haben, oder war Lemkes Kritik nur ein Missverständnis?
Beck: Ich will da nichts schönreden. Aber meiner Einschätzung nach hat es keiner Stellschrauben bedurft. In der Alltagsarbeit hat sich gezeigt, dass wir ohne Reibereien zu guten Ergebnissen kommen.

Wie kann Rheinland-Pfalz die Qualität im Bildungs- und Sozialsystem aufrechterhalten und gleichzeitig die Schuldenbremse einhalten?
Beck: Das wird gelingen. Wir sind mit dem Doppelhaushalt sehr weit. Bis 2016 werden wir nicht nur sparen, sondern auch viel gestalten. Man muss als Beispiel nur sehen, was wir in den Schulen tun. Dort haben wir in den Grundschulen gerade die ersten Klassen verkleinert. Ein Prozess, der noch weiter geht. Zudem stellen wir - ein weiteres Beispiel - die Schülerbeförderung bis Klasse 10 kostenfrei. Das Kostenvolumen beträgt hier gut 15 Millionen Euro. Ich könnte noch viele andere Bereiche nennen.

Zurück zum Sparen: Wird die Liste der Grausamkeiten noch länger?
Beck: Das meiste liegt ja schon auf dem Tisch. Ansonsten laufen gerade die Beratungen, da werde ich jetzt keine Einzelheiten verraten. Offen sind allenfalls noch 20 bis 25 Prozent. Diese Schritte müssen allerdings noch durchgeprüft werden. Insgesamt müssen wir 220 Millionen Euro im Jahr sparen.

Der Hebel muss also nahezu in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung angesetzt werden.
Beck: So ist es. Derzeit werden nicht nur die Justizstrukturen überprüft. Das hat ja sehr viel Medienaufmerksamkeit bekommen. Worüber kaum berichtet wird: Wir stellen alle Strukturen in der Landesverwaltung auf den Prüfstand. Aber das interessiert nicht so sehr wie ein paar Spitzenpositionen. Anpassungen wird es in sämtlichen Bereichen geben. Immer unter der Prämisse: Wir gehen anständig mit den Menschen um, und es gibt keine Entlassungen.

Die Grünen wollen den Landeszuschuss für den Rennzirkus am Nürburgring möglichst auf Null herunterfahren. Welche Perspektiven sehen Sie für die Formel 1?
Beck: Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft Formel 1 am Nürburgring haben werden. Bei allen unschönen Entwicklungen, die es dort gab und die mich sehr geärgert haben, habe ich den Ring immer als Investition in eine strukturschwache Region gesehen. Und so wird es bleiben. Das gilt auch für die Formel 1. Wenn in der Region rund um das Rennen eine Wertschöpfung von 60 Millionen Euro entsteht - die Zahl wird überprüft - muss man überlegen, welche öffentlichen Zuwendungen verantwortbar sind. Die Höhe des Landeszuschusses jetzt öffentlich zu nennen, wäre eine Dummheit par excellence. Das erschwert nur die Verhandlungen. Wir verhandeln auch nicht selber, sondern das macht die Betreibergesellschaft, die sich in diesem Bereich fachlich verstärkt hat. Ich hoffe, wir schaffen es, auch in der Zukunft Formel-1-Rennen unter verantwortbaren Bedingungen am Ring zu haben.

Im Herbst könnte es zu den Nürburgringprozessen kommen - unter anderem mit einer Anklage gegen Ex-Finanzminister Ingolf Deubel (SPD). Rechnen Sie mit einem heißen politischen Herbst?
Beck: Ich glaube, wir sollten uns so verhalten, wie es der Rechtsstaat vorsieht. Ich weiß nicht, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Es liegt auch nicht in meiner Entscheidung. Wird Anklage erhoben, muss man abwarten, wie die Verfahren ausgehen. Wir tun alle gut daran, erst einmal zu warten, bis jemand überhaupt die Chance hat, Stellung zu beziehen. Ich habe absolut keinen Grund, an der ehrlichen Motivation von Ingolf Deubel zu zweifeln. Für seine politischen Fehler hat er geradegestanden. Ob er darüber hinaus noch Fehler gemacht hat, wird sich zeigen. Eine Vorverurteilung lehne ich in diesem Fall wie auch in anderen Fällen ab.

Man hat oft den Eindruck, dass Sie recht dünnhäutig auf Kritik reagieren. Woran liegt das?
Beck:
Ich habe nicht den Eindruck, dass ich dünnhäutig bin.

Da gibt es andere Wahrnehmungen. Wirkt da noch das Trauma von Berlin nach, als Sie sich wegen parteiinterner Intrigen vom SPD-Bundesvorsitz zurückzogen?
Beck: Nein, das glaube ich nicht. Worüber ich mich allerdings aufrege ist, wenn Menschen Politik als Spiel begreifen. Anders gesagt: Der immer größer werdende Mangel an Ernsthaftigkeit in der Politik macht mir Sorge. Wir Politiker dürfen nicht nur auf äußere Effekte setzen.

Viele Menschen verstehen nicht, warum Sie nicht mehr zu Mainz 05 gehen wollen.
Beck: Dazu habe ich alles gesagt.

Sie werden also nicht auf das Angebot von Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler eingehen, der Sie zu einem Spiel einladen wollte?
Beck: Das ist sicher ein nett gemeintes Angebot. Ich weiß ja auch, was man jetzt taktisch sagen könnte. Aber ich habe mir für mich vorgenommen, ehrlich zu sein. Das hat mir auch bei anderen Gelegenheiten nicht immer Freude gebracht. Aber es bringt mir viel Selbstachtung. Ich habe eine Entscheidung getroffen. Und zu der stehe ich.

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