Die Signale von Hamburg

Bei den Sozialdemokraten herrscht am Tag nach dem grandiosen Hamburger Wahlsieg ihres Spitzenkandidaten Olaf Scholz Feierstimmung. Während sich die Bundes-SPD bereits vornimmt, nach dem Vorbild von Scholz künftig stärker mit Wirtschaftsthemen zu punkten, ist bei der vernichtend geschlagenen Union erst einmal Wundenlecken angesagt.

Berlin. Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Gelassenheit Angela Merkel vorne auf dem Podium im Konrad-Adenauer-Haus steht. Keine 24 Stunden vorher hat die Hamburger CDU ein historisches Wahldesaster eingefahren und der Parteivorsitzenden und Kanzlerin den Auftakt in das Superwahljahr 2011 extrem vermasselt. Und dann auch noch die bohrenden Fragen zu ihrem stolpernden Kabinettsstar Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU. Die momentanen Politdramen scheinen Merkel jedoch überhaupt nichts anzuhaben, so unaufgeregt erläutert sie ihre Sicht der Dinge. Dazu passt, dass die Kanzlerin offenbar auch nur eine Lehre aus all den Ereignissen ziehen will - und die heißt: weiter so.

Dass den CDU-Granden das Ergebnis in der Hansestadt zumindest peinlich ist, merkt man morgens vor und mittags nach den Gremiensitzungen. Die meisten der sonst so gesprächigen Führungskräfte der Union huschen schweigend an den Journalisten vorbei, oder sie nehmen gleich den Weg über die Tiefgarage. Wer doch etwas sagt, der sagt es wie bestellt und abgesprochen. In Hamburg sei eben alles falsch gemacht worden, "was man nur falsch machen kann". Einer gibt unumwunden zu, dass er dort seine eigene Partei auch nicht gewählt hätte. Die Devise lautet also, alles auf die besondere Situation im Norden zu schieben. Angela Merkel kann sogar mathematisch erklären, woran es gelegen hat: 80 Prozent des Debakels seien auf Dinge zurückzuführen, "die mit Hamburg zu tun haben." Bleibt zwar noch eine Restschuld von 20 Prozent, aber da könne weder der "Effekt" der Guttenberg-Affäre "besonders gravierend sein, genauso wenig wie mein Effekt." Bei so viel Rationalität ist wenig Raum für Frust und Konsequenzen. Dabei müsste sich die Union schon fragen, wie sie künftig in Großstädten gewinnen will, wenn ihr die Wähler dort ein ums andere Mal in Scharen weglaufen. Vieles hänge halt von Persönlichkeiten ab, sagt Merkel lapidar. Der Wahlverlierer Christoph Ahlhaus neben ihr sieht dabei aus wie ein Gespenst. Auch wäre es vielleicht angebracht zu prüfen, ob der Kurs mit Blick auf die noch wichtigeren Wahlkämpfe in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg verändert werden muss. Nein, Kurs beibehalten entgegnet Merkel lediglich. Die wichtigste Frage, die die CDU umtreiben müsste, ist allerdings, ob nach der Hamburger Erfahrung weitere Bündnisse mit den Grünen überhaupt Sinn haben, wenn in der Folge die Union ausgelaugt am Boden liegt, die Stammwähler vergrätzt sind und die Alternativen ungeschoren beim Wähler davonkommen. Für einige in der Partei ist diesbezüglich "Schluss mit lustig". Merkel indes räumt nur ein, dass die Zusammenarbeit mit den Grünen auf Länderebene "sicher nicht einfacher geworden ist". Auf Bundesebene sei sie ja sowieso ein "Hirngespinst", was sie häufig genug erklärt habe.

Eine klare Ansage zu künftigen schwarz-grünen Bündnissen klingt anders - die Vorsitzende belässt es lieber bei einem gepflegten Jein. Da sind CSU und FDP schon weiter. Schwarz-Grün ist für sie schlichtweg tot. "Ich war schon immer für klare Linien. Und jetzt ist sie klar: Die bürgerlichen Parteien gegen Rot-Grün", resümiert CSU-Chef Horst Seehofer. So sieht es auch FDP-Chef Guido Westerwelle, dessen eigene Krise seit Sonntag nicht mehr existiert. Eine Koalition Schwarz-Grün, von der manche träumten, sei "zum Alptraum geworden". Das solle man mal in allen Berliner Parteizentralen zur Kenntnis nehmen, fordert der Vizekanzler. Er meint wohl vor allem die der Union. Nur dort hat man sich eben schon anders entschieden - weiter so.

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