"Die SPD ist vollkommen eingeknickt"

Das von der Koalition beschlossene Asylpaket II soll schon im Februar vom Bundestag verabschiedet werden. Beim anschließenden Votum im Bundesrat kommt es auch auf die Stimmen der Grünen an. Unser Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit dem Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter (Foto: dpa).

"Die SPD ist vollkommen eingeknickt"
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Herr Hofreiter, wie verhalten sich die Grünen im Bundestag? Anton Hofreiter: Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir diesem Asylpaket zustimmen. Besonders die Regelung, den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen, ist hoch problematisch. Hier ist die SPD vollkommen eingeknickt. Was wird passieren?Hofreiter: Es werden sich noch mehr Frauen und Kinder auf den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer machen. Helfer an der deutsch-österreichischen Grenze berichten, dass allein schon die Debatte darüber zu einem Anstieg von Frauen und Kindern unter den Flüchtlingen geführt hat. Das ist unverantwortlich. Aber ein rascher Familiennachzug scheitert doch schon daran, dass die Behörden mit den Erstanträgen überlastet sind. Wird das Thema nicht überhöht?Hofreiter: Ja, die Behörden sind überlastet. Doch anstatt dafür zu sorgen, dass sie besser ausgestattet sind, macht die Koalition Gesetze, die Menschen zusätzlich in Gefahr bringt. Übrigens ist das auch integrationspolitisch fatal. Denn einerseits wird beklagt, dass zu viele junge Männer kommen. Andererseits wird ihnen der Familiennachzug verweigert. Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen. Die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten um die Westbalkan-Länder war nur mit Hilfe grüner Stimmen im Bundesrat möglich. Ist die Partei dazu jetzt auch im Hinblick auf Algerien, Tunesien und Marokko bereit?Hofreiter: Einige Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung haben damals zugestimmt, weil es Teil eines Kompromisses war. Sie haben aber auch erklärt, dass sie von einer solchen Einstufung wenig halten.Aber genützt hat sie doch - die Zahl der Asylbewerber vom West-balkan ist drastisch gesunken.Hofreiter: Aber nicht wegen der Einstufung. Die Zahlen gingen schon vorher runter, weil die massiven Aufklärungskampagnen der Botschaften über die völlig falschen Versprechen der Schlepper wie zum Beispiel einer sofortigen Wohnung gefruchtet haben. Die Ausweitung sicherer Herkunftsländer auf die drei Maghreb-Staaten sehe ich kritisch. Marokko hält zum Beispiel die Westsahara besetzt, es gibt Fälle von Folter und Unterdrückung. Insofern lässt sich nicht einfach begründen, warum Marokko ein sicheres Herkunftsland sein soll. Innenminister de Maizière hat auch die Türkei als sicheres Herkunftsland ins Spiel gebracht, um Flüchtlinge leichter abschieben zu können. Was halten Sie davon?Hofreiter: In der Türkei wird die Pressefreiheit massiv eingeschränkt, Redakteure sind mit lebenslanger Haft bedroht, in den kurdischen Gebieten herrscht faktisch Bürgerkrieg. Da gibt es auch verfassungsrechtliche Grenzen.

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