Die Steuergerechtigkeit lässt auf sich warten

Brüssel · Ein Nummernkonto in der Schweiz galt jahrelang als sicherste Methode, Steuern zu sparen. Die Daten eines Ex-Mitarbeiters der britischen Großbank HSBC machen deutlich: Wohlhabende Kunden aus aller Welt haben davon Gebrauch gemacht.

Brüssel. Die Zahlen sind so gewaltig, dass sie selbst inmitten von Ukrainekrieg und Griechenlandstreit am Montag Aufsehen erregt haben: Knapp 160 Milliarden Euro sind Recherchen des Journalistennetzwerks ICIJ (siehe Extra) 2006 und 2007 über Konten der Schweizer Filiale der britischen HSBC-Bank geflossen - mit dem Ziel, Steuern zu hinterziehen, Geld zu waschen oder den Terror zu finanzieren.
Das macht die Schätzung der EU-Kommission noch glaubhafter, dass dem Fiskus europaweit ungefähr eine Billion Euro im Jahr entgehen. Geschätzte 150 Milliarden davon sollen auf das Konto der Konzerne gehen, die Steuerschlupflöcher ausnutzen und bisher geheime Absprachen mit den Steuerbehörden treffen. Der Kampf gegen diese Steuervermeidung ist auch Thema beim Treffen der G20-Finanzminister in Istanbul, das am Montag begann.
Auch wenn die EU erst vor zwei Wochen ein Steuerschlupfloch in der sogenannten Mutter-Tochter-Richtlinie gestopft hat, stehen die Industrieländer damit noch am Anfang. Dass Erträge aus Patenten, Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen innerhalb von Konzernen nicht länger weg von der Muttergesellschaft hin zu Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern verlagert werden können, ist Teil eines Aktionsplans der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der allerdings erst in diesem Jahr verabschiedet werden soll. In der EU hat Kommissionschef Jean-Claude Juncker - nach den LuxLeaks-Enthüllung vom November selbst unter Druck - einen entsprechenden Gesetzentwurf in den kommenden Monaten angekündigt.
"Die Maßnahmen sind bereits ergriffen worden", teilte seine Behörde dagegen am Montag als Reaktion auf die neuen Enthüllungen zum Geschäftsgebaren von Europas größter Bank HSBC mit.
Tatsächlich hat sich im politischen Bemühen, die private Steuerflucht einzuschränken, schon deutlich mehr getan. Nun werden nicht mehr nur automatisch Zinserträge im Ausland dem heimatlichen Finanzamt des Kontoinhabers gemeldet, sondern alle Arten von Kapitaleinkünften. Auch Österreich und Luxemburg, die sich lange gegen die Aufgabe des Bankgeheimnisses gewehrt hatten, haben zugesagt, die EU-Richtlinie vom 1. Januar 2017 an, wie gefordert, umzusetzen.

Extra

Die Schweizer Filiale der britischen Großbank HSBC hat Steuersündern aus aller Welt im Milliarden-Maßstab beim Vermeiden von Zahlungen an die Finanzämter geholfen. Das geht aus vertraulichen Unterlagen der Bank hervor, die mehreren Medien zugespielt und dort ausgewertet wurden. Strafen und Steuernachzahlungen in Höhe von einer Milliarde Euro seien bereits bei Steuerbehörden in nur zwölf von Dutzenden betroffener Länder eingegangen. HSBC, die größte Bank Europas, räumte die Vorwürfe de facto ein. Die Konten von Steuersündern seien geschlossen worden, die Bank konzentriere sich nun auf besonders vertrauenswürdige Kundschaft. Dieser Reformschritt habe dazu geführt, dass 70 Prozent aller Konten dichtgemacht wurden, räumte die Bank ein. dpa

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