Die Stimmung schwankt zwischen Sorge und Ignoranz

In Familien, Geschäften und auf der Straße ist in Hillesheim (Landkreis Vulkaneifel) seit gut einer Woche die mysteriöse Erkrankungswelle im Altenheim, die sechs Todesopfer forderte, das Gesprächsthema Nummer eins.

Hillesheim. Die Schatten der Frühlingssonne wirken in dem historischen Marktort länger als andernorts. "Die Gesamtsituation ist sehr bedauerlich und beunruhigend, obwohl vermutlich alles Menschenmögliche getan wird", sagt Heike Bohn, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Hillesheim. Bei den meisten Passanten im Stadtkern herrscht Unverständnis darüber vor, dass die Ursache für die Erkrankungswelle noch nicht gefunden wurde.

Unmittelbar am Katharinenstift liegt der große Busbahnhof, umsäumt von vielen Geschäften. Eine Mitarbeiterin eines ambulanten Pflegedienstes verbringt ihre Mittagspause im Außenbereich eines Cafes. Sie meint: "Wenn es keine Infektion ist und auch nichts mit dem Essen zu tun hat, könnte ja auch ein ,Todesengel' im Spiel sein." Von krimineller Sterbehilfe bis hin zu Vergiftung seien auch die Spekulationen bei einer Familienfeier am Vorabend gegangen, berichtet eine weitere Passantin. Die Verkäuferin im gegenüberliegenden Blumenladen erzählt: "Ich habe das Gefühl, dass die Kunden seit den Vorfällen um die Geschäfte hier einen großen Bogen machen." Mitbringsel für Besuche im Altenheim würden "so gut wie keine mehr gekauft". Heimbewohner, die ins Geschäft kämen, redeten nicht über das aktuelle Geschehen. Apotheker Friedhelm Knie berichtet: "Es gibt keine Panik-Reaktionen. Hier hat noch niemand nach Medikamenten gefragt, um sich vor einer möglichen Ansteckung zu schützen." Vielmehr schätzt der Apotheker das Notfallsystem als "sehr gut funktionierend" ein. Allerdings sei bedauerlich, dass drei renommierte Institute noch keine Ergebnisse vorlegen könnten.

Helene Dümmer aus Hillesheim meint: "Schuldzuweisungen sind unnötig. Das Katharinenstift hat nicht verdient, dass der gute Ruf zerstört wird." Hans-Hermann Voges, dessen 86-jährige Mutter Bewohnerin des Heimes ist, sagt: "Aufgrund ihrer Demenz kriegt sie nichts mit. Darüber bin ich froh." Beim Besuch vor zwei Tagen habe er auch mit anderen Bewohnern nicht über die Todesfälle gesprochen, "um keine Beunruhigung auszulösen". Hillesheims Stadtbürgermeister Matthias Stein sieht das gute Image der Stadt nicht gefährdet. Anders sieht das Karl-Heinz Schwartz, Stadtbürgermeister von Gerolstein: "Die Situation ist beunruhigend für alle. Die Sache ist schlecht für die ganze Region, nicht nur für Hillesheim." Chronologie 21. März: Im Hillesheimer Pflegeheim Katharinenstift erkranken zwölf zwischen 51 und 94 Jahre alte Bewohner lebensgefährlich. Zunächst wird eine Infektion als Ursache vermutet. Alle leiden an Erbrechen, Durchfall und Atemnot. 23. März: Eine erkrankte 90-jährige Bewohnerin stirbt. 25. März: Eine 85-Jährige stirbt. Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein. Es wird ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet, die Verstorbenen werden obduziert. 26. März: Als mögliche Ursache gelten Viren, die Lungeninfektionen hervorrufen. 28. März: Eine 88-Jährige stirbt. 30. März: Eine 85- und eine 94-Jährige sterben. 31. März: Die sechste Tote: eine 85-Jährige. 1. April: Eine Vergiftung wird immer wahrscheinlicher. (wie)

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