Die Trümmer des Krieges

Der anglo-amerikanische Krieg am Golf hat das weltpolitische Koordinatensystem nicht nur verschoben, sondern in Trümmer gelegt und wird damit das Gesicht der Nachkriegs-Welt verändern. Amerika und England werden diesen Krieg gegen den Irak zwar trotz aller Schwierigkeiten militärisch gewinnen.

Politisch haben sie ihn - das gilt insbesondere für die USA - bereits heute verloren. Und es gibt noch etliche weitere Verlierer. Die Vereinten Nationen, bislang finanziell weitgehend abhängig von Amerika, sind von Präsident George W. Bush fallen gelassen worden wie eine heiße Kartoffel. Von der Washingtoner Administration düpiert und als sinnloser Debattierclub blamiert, ist die Uno politisch so gut wie tot. Und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis die USA ihr auch den Geldhahn endgültig zudrehen und sich damit die organisatorische Existenzfrage stellt. Die Nato, das westliche Verteidigungsbündnis, ist im Zerfall begriffen, nachdem Amerika ihr mit der Aufkündigung des Partnerschaftsprinzips das Fundament so gut wie entzogen hat. Die amerikakritische Haltung droht weltweit in Antiamerikanismus umzukippen und die ohnehin schon vorhandenen isolationistischen Tendenzen in den USA noch zusätzlich durch eine globale Isolation von außen zu verstärken. Das gilt in besonderem Maße für die gesamte muslimische Welt, deren fundamentalistische Kräfte die Massen zu mobilisieren versuchen werden gegen die USA, ihre bisherigen eigenen Machthaber, denen sie zu große Anpassung vorwerfen, und gegen die westliche Zivilisation insgesamt. Destabilisierung ist die bedrückende Perspektive. Ein Friede in Nahost scheint für lange Zeit Utopie. Schwer beschädigt schließlich ist das Verhältnis zwischen Europa und Amerika und der Zustand der Europäischen Union selbst. Dem Ziel einer gemeinsamen Außenpolitik der Europäer haben diese selbst durch ihre nationalen Positionierungen im Vorfeld des Irak-Krieges für lange Zeit die Grundlage entzogen. Ihr erster militärischer Friedenseinsatz in eigener Regie in Mazedonien ist Kosmetik, von marginaler und nicht historischer Bedeutung, wie mancher vielleicht erhoffen mag. Trümmer also, weltweit, wo man hin sieht. Einer der Vorgänger George W. Bushs im Präsidentenamt, John F. Kennedy, sagte vor über 40 Jahren kurz vor seiner Ermordung: "Im Ausbau der Organisation der Vereinten Nationen liegt die einzige echte Alternative zum Krieg - und der Krieg besitzt als sinnvolle Alternative keine Anziehungskraft mehr… Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende machen, sonst wird der Krieg der Menschheit ein Ende bereiten." Von Karl von Clausewitz, dem preußischen General und Philosophen, stammt der Satz: Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Heute würde Clausewitz statt dessen vielleicht eher sagen: Krieg ist die Fortsetzung des Scheiterns von Politik. w.weber@volksfreund.de

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