Die Uhr von Glos läuft ab

Berlin · Ein amtsmüder Michael Glos bringt den CSU-Landeschef Horst Seehofer ganz schön in die Bredouille. Der Bundeswirtschaftsminister hat seinen Rücktritt angeboten und damit aber auch die Union und die Koalition am Wochenende in heftige Schwierigkeiten gebracht.

Wie weiter mit Michael Glos? Innerhalb der Union und der Bundesregierung liefen gestern bis spät am Abend die Drähte heiß. Er hat alle kalt erwischt, vor allem aber CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Offenbar im Alleingang wollte der Bundeswirtschaftsminister sein Amt hinschmeißen. Aber nicht, in dem er einfach seinen Rücktritt erklärte, sondern indem er per Brief an Seehofer und nicht an Merkel um Entlassung bat. Ein bisher beispielloser Vorgang. Wie aus Unionskreisen gestern verlautete, muss sich bei Glos jede Menge Groll aufgestaut haben. Zwar gilt der glücklose Minister schon lange als amtsmüde, in der Unionsspitze wird aber versichert, es habe keinerlei Druck auf Glos gegeben, sein Amt aufzugeben.

Kritik von der Opposition und aus eigenen Reihen



Etwas anderes hat daher wohl das Fass zum Überlaufen gebracht: Zum einen das gestörte Verhältnis von Glos zu CSU-Chef Seehofer. Intern und in Hintergrundgesprächen hat Seehofer zuletzt häufig die kaum sichtbare Rolle des Wirtschaftsministers in der Krise beklagt, das blieb dem 64-jährigen Glos nicht verborgen. Als "Schlaftablette auf zwei Beinen" und "Problembär" wurde er deshalb von der Opposition im Bundestag verhöhnt. Attacken, die auch in der CSU-Spitze nicht einfach überhört worden sind. Glos, so wird kolportiert, habe sich am Ende von Seehofer massiv gemobbt gefühlt. Aus der Erkenntnis heraus, der Parteichef wolle ihn spätestens nach der Bundestagswahl fallen lassen, soll er versucht haben, Seehofer zuvorzukommen und ihn zugleich mit dem Brief zu desavouieren. Zumal Glos augenscheinlich "durchgesteckt" worden ist, dass der CSU-Vorsitzende schon nach einem Nachfolger suche und diesbezüglich auch bei Merkel vorstellig geworden sein soll. Seehofer, heißt es, habe dem bayerischen Unternehmer und CSU-Schatzmeister Thomas Bauer angeblich ein hohes Partei- oder Regierungsamt angeboten. Bauer bekundete gestern auch prompt grundsätzliches Interesse an einer Glos-Nachfolge. In der Regel ist es in der Politik aber so: Wer früh den Kopf aus der Deckung nimmt, der wird es nicht.

Als mögliche Nachfolge-Kandidaten kommen auch CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg oder die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Dagmar Wöhrl in Frage.

Menschen aus Glos Umfeld berichten schon länger, dass Glos seit Amtsantritt 2005 viel dünnhäutiger geworden ist. Deswegen machte Glos in letzter Zeit auch öffentlich keinen Hehl mehr daraus, dass er das Amt nie gewollt habe. Dass er mit seinem Vorgehen auch die Kanzlerin beschädigt, muss ihm allerdings bewusst gewesen sein. In Berlin ist bekannt, wie sehr der Minister auch mit Merkel hadert und von ihr enttäuscht ist. Obwohl er ihr über Jahre den Rücken freigehalten hat, wurde er mit Beginn der Finanzkrise von der Kanzlerin in eine Statistenrolle gedrängt, während Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) die zweite Hauptrolle bekam. Erst spät setzte sich der gelernte Müllermeister gegen die Vorwürfe, er sei in der Krise abgetaucht, zur Wehr. Im November suchte der Unterfranke deshalb die direkte Konfrontation mit Merkel: "Die Dirigentin der Regierung hat bei der Lösung der Bankenkrise den öffentlichen Einsatz des Wirtschaftsministeriums wenig gefordert", stichelte er. Im Kanzleramt wurde dies verärgert registriert.

Dass Seehofer und Merkel nun vorerst Glos Rücktrittsgesuch abgelehnt haben, macht das Chaos nicht kleiner. Inmitten der größten Wirtschaftskrise aller Zeiten will der Wirtschaftsminister hinschmeißen - die Kanzlerin, die CSU und die große Koalition haben ein Problem, das schnell gelöst werden muss. Intensiv wurde gestern beraten. Aus Unionskreisen hieß es, egal, was der Minister nun noch mache, seine Uhr laufe auf alle Fälle dramatisch schnell ab.

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