"Die Unzufriedenheit ist riesengroß"

Der Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten D. Voigt (SPD), hat vor überzogenen Erwartungen an Barack Obama gewarnt, falls diese am Dienstag die Wahl gewinnt.

Berlin. Obama bleibe der Vertreter einer Weltmacht, die ihre Führungsrolle im westlichen Bündnis wahrnehmen wolle, sagte Voigt im Gespräch mit unserem Korrespondenten Stefan Vetter.

Obama liegt in den Umfragen vorn. Ist die US-Wahl schon gelaufen?

Voigt: Da bin ich vorsichtig. In Deutschland haben wir schon erlebt, dass zwischen Umfragen und Wahlergebnissen Welten liegen können. Aber es spricht sicher vieles dafür, dass Obama das Rennen macht.

Was ist für die Amerikaner wahlentscheidend?

Voigt: Die desolate Wirtschaftslage. Dafür wird vor allem die amtierende Regierung, also auch die Partei der Republikaner, verantwortlich gemacht.

Gab es Unterschiede zu früheren US-Wahlkämpfen?

Voigt: Eindeutig ja. Es haben sich Hunderttausende junge Leute engagiert, die früher nie zur Wahl gegangen sind und die buchstäblich bis zur letzten Minute Nachbarn und andere Leute auffordern werden, ihre Stimme abzugeben. Ich rechne daher auch mit einer deutlich höheren Wahlbeteiligung als bei der letzten Bush-Wahl.

Welche Rolle spielt die Hautfarbe?

Voigt: Das ist die große Unbekannte dieser Wahl. Und zwar deshalb, weil Obama nicht in das Raster der Vorurteile über Farbige passt. Obama hat in Harvard studiert, er ist ein Intellektueller. Solche Eigenschaften werden von vielen eher mit Weißen verbunden.

Selbst viele Republikaner haben sich von ihrem Präsidenten Bush distanziert. Wie bewerten Sie das?

Voigt: Es gibt eine riesengroße Unzufriedenheit in den USA. Auch bei Republikanern. Das gilt für alle politischen Felder. Laut Umfragen sagen 80 Prozent der Amerikaner, das Land fährt einen falschen Kurs. Die Wechselstimmung ist so stark, dass sich selbst der republikanische Präsidentschaftsbewerber John McCain als Kandidat des Wechsels ausgibt.

Können Sie George W. Bush etwas Positives abgewinnen?

Voigt: Es gibt etwas Positives: Aus deutscher Sicht war die Zusammenarbeit mit ihm trotz der Krise nach dem Irak-Krieg immer sachlich und kooperativ. Das hat sich aber auf die Wahrnehmung der Bush-Regierung in der deutschen Bevölkerung überhaupt nicht ausgewirkt.

Die Finanzkrise hat die USA geschwächt. Was bedeutet das für den künftigen Präsidenten?

Voigt: Die Finanzkrise wird zum Thema Nummer eins. Dabei wird dem künftigen Präsidenten, ganz gleich ob Obama oder McCain, schnell klar werden, dass er das Problem nicht allein lösen kann. Er ist auf die Zusammenarbeit mit Europa, der Golfregion, Asien und anderen angewiesen. Wer als US-Präsident effektiv führen will, muss sich für die Denkweisen und Interessen der internationalen Partner öffnen.

Muss sich Deutschland auf ein stärkeres Engagement in Afghanistan einstellen?

Voigt: Die USA werden immer mehr wünschen, als Deutschland in Afghanistan leistet. Aber ich habe meinen amerikanischen Gesprächspartnern stets klar gemacht, dass es für einen dauerhaften Einsatz der Bundeswehr im stark umkämpften Süden keine Mehrheit geben wird. Daran wird auch die künftige US-Regierung nicht vorbei kommen.

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