Die verrückten Deutschen

Dass Wachstum (auch) eine Frage der Psychologie ist, haben kluge Köpfe schon vor langer Zeit bemerkt. Wer schlecht drauf ist oder Angst hat, der gibt kein Geld aus, auch wenn er welches hat. Wenn die Menschen ihr Geld krampfhaft zusammenhalten, investiert wiederum kein Unternehmer in die Schaffung neuer Kapazitäten.

Wenn kein Unternehmer investiert, entstehen keine Arbeitsplätze. Ohne Arbeitsplätze gibt es aber immer mehr Leute, die Angst, und immer weniger, die Geld haben. Eine Abwärtsspirale, mit der man die gesündeste Volkswirtschaft ruinieren kann. Wenn denn die Deutschen verrückt genug sind, sich ausgerechnet von einem Fußball-Spektakel aus diesem fatalen Trott reißen zu lassen: Warum nicht? Die organisatorisch bislang geglückte WM vermittele den Deutschen das Gefühl, dass man noch in der Lage sei, Probleme zu bewältigen und etwas zu schaffen, sagen die Marktforscher. Und das sorge für ein Stimmungshoch, mehr noch als die Klinsmann-Siege. Betrüblich, dass Politiker, selbst in der mächtigen Formation einer großen Koalition, hierzulande nicht mehr in der Lage sind, den Bürgern auch nur ein Krümelchen dieser Aufbruchstimmung zu vermitteln. Betrüblich, dass auch die Medien 22 Kicker und einen Ball brauchen, um ihren Zuschauern, Hörern oder Lesern die Erkenntnis zu gönnen, dass es nicht nur Malessen, sondern auch Medizin gibt, die heilt - auch wenn sie manchmal bitter schmeckt. Hoffentlich behalten diejenigen recht, die die derzeitige Euphorie als Zündfunken und nicht nur als Strohfeuer einstufen. Nach dem Spiel gegen Ecuador sehen wir weiter. d.lintz@volksfreund.de

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