Dienstreise nach Moskau

Berlin · Länger als geplant dauerte gestern die Sondersitzung des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste. Es ging vor allem um die Befragung des ehemaligen US-Spions Edward Snowden.

Berlin. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der sonst gern den Rebellen in dieser Runde gibt, sprach nach dem geheimen Treffen sogar von einem "beeindruckend ernsten Gespräch". Es ging um Edward Snowden. Am Ergebnis änderte die feine Art jedoch nichts: Snowden bekommt kein Asyl in Deutschland.
Die schon zu Beginn der Woche geäußerte Position der Bundesregierung, wegen des "Whistleblowers" (Geheimnisverräter) keine Eiszeit mit Washington zu produzieren, verfestigt sich damit immer mehr. Schon im Sommer habe man festgestellt, dass es keinen Asylgrund für den Ex-Geheimdienstmitarbeiter gebe, sagte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gestern. "Er wird nicht politisch verfolgt". Jetzt gehe es nur darum, "wie und von wem er in Moskau angehört werden kann". Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer sprach sogar von einer lediglich "informellen Anhörung" des 30-Jährigen in der russischen Hauptstadt. Man konnte bei den christdemokratischen Vertretern im Kontrollgremium die Absicht durchhören, eine Vorladung Snowdens vor den geplanten Untersuchungsausschuss des Bundestages nach Möglichkeit zu vermeiden. Die SPD trägt die Linie offenbar mit. Eine Befragung in Deutschland "steht im Augenblick nicht zur Debatte", sagte ihr parlamentarischer Geschäftsführer Thomas Oppermann. Womöglich wäre Snowden allerdings auch gar nicht nach Berlin gekommen. Sein Vater jedenfalls hält die Bundesregierung offenbar für unzuverlässig, was mögliche Zusagen an seinen Sohn angeht. Berlin habe sich nämlich erst empört, als bekannt wurde, dass das Telefon der Kanzlerin abgehört worden sei, sagte Lon Snowden dem Stern. Er rate ihm ab, Moskau zu verlassen.
Der Ausschuss ließ sich von den Chefs des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes auch berichten, wie weit ihre Verhandlungen mit den USA über ein Nicht-Ausspähabkommen ("No Spy") gediehen sind. Ergebnis laut Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU): Es gebe eine "gute Chance", die Zusammenarbeit der Geheimdienste auf eine neue Basis zu stellen. Das ist wohl auch gegenüber London nötig. Pofalla berichtete den Abgeordneten über das angebliche Spähnest auf dem Dach der britischen Botschaft unweit des Brandenburger Tores. Details wurden nicht bekannt. wkExtra

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sieht aufgrund der NSA-Abhöraffäre eine "erschütternde Vertrauenskrise", aber keinen grundsätzlichen Bruch in den Beziehungen zu den USA. Dreyer sprach gestern im Landtag in Mainz von einem "großen Ohnmachtsempfinden der Bürger", denen man Angebote machen müsse, um ihr Grundrecht auf Datenschutz zu gewährleisten. Die Sicherheit der Daten von Bürgern wie Unternehmen sei "in erheblichem Umfang gefährdet", sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD). CDU-Chefin Julia Klöckner verwies darauf, Rheinland-Pfalz sei besonders auf gute Kontakte und Beziehungen zu den USA angewiesen. Edward Snowden verdiene Respekt, "das sollte aber nicht in Heldenverehrung übergehen". fcg

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