Digitaler Ausweis noch kein echter Online-Schlüssel

Trier · Der digitale Personalausweis soll den Zugang zu einer neuen Art von Geschäften und Erledigungen im Internet ermöglichen. Bürger und Kunden reagieren bisher jedoch ebenso zurückhaltend wie Unternehmen und Behörden.

 Der Personalausweis ist auf die Größe einer Scheckkarte geschrumpft. Hier holt eine Triererin ihr Dokument beim Bürgeramt ab. TV-Foto: Friedemann Vetter

Der Personalausweis ist auf die Größe einer Scheckkarte geschrumpft. Hier holt eine Triererin ihr Dokument beim Bürgeramt ab. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Mit dem digitalen Personalausweis sollen Bürger ihre Identität auch im Internet zweifelsfrei nachweisen können. Auf dieser Grundlage können Autofahrer auf der Homepage des Kraftfahrt-Bundesamtes ihren Punktestand im Flensburger Verkehrssünderregister anfordern. Das eigene Rentenkonto lässt sich nach einer Online-Anmeldung bei der Deutschen Rentenversicherung schnell von zu Hause aus einsehen. Auch Versicherungen lassen sich am Bildschirm abschließen.
"Der elektronische Personalausweis sorgt für eine bessere Erfüllung der Datenschutzvorschriften", erklärt Computer-Experte Andreas Heuer, Geschäftsführer der Actisis GmbH in Trier. Es würden nur die jeweils notwendigen Informationen abgefragt. Wer zum Beispiel Online-Spiele oder Filme mit Altersbeschränkung im Internet kaufen will, kann mit dem Ausweis sein Alter nachweisen.
Längere Bearbeitungszeit


Ein Blick in die Bürgerbüros der Gemeinden in der Region Trier zeigt: Noch sind die Antragsteller misstrauisch und sensibel, wenn es um persönliche Daten geht. Nur ein Bruchteil der Bürger lässt seinen neuen Ausweis überhaupt für die Zusatzfunktion freischalten (siehe Extra). Ina Braun, Mitarbeiterin im Bürgerbüro Gerolstein, sagt: "Der neue Personalausweis hat uns zunächst einmal längere Bearbeitungszeiten und größeren Aufwand beschert. Ein Großteil der Bürger möchte die Zusatzfunktionen aber gar nicht nutzen."
Dahinter steckt oft Angst wegen Sicherheitsmängeln. "Solche Bedenken sind angebracht, sobald das Internet ins Spiel kommt", betont Andreas Heuer. Mit dem neuen Ausweis eröffneten sich möglichen Angreifern neue Perspektiven. Die Sicherheitsfunktionen des Ausweises genügten zwar höchsten Ansprüchen. "Aber bei der Verwendung von Lesegeräten, bei denen der Nutzer keine Geheimnummer eingeben kann, ist Vorsicht geboten", warnt Heuer. Immer wieder gibt es Berichte über Sicherheitslücken in dem System, etwa bei der Software. So wiesen Internet-Spezialisten nach, dass Ausweisdaten ausgespäht und missbraucht werden können. Auf der Internet-Plattform YouTube demonstriert Jan Schejbal in einem Video, wie ein solcher Angriff möglich ist.
Stadt Trier plant für 2012


"Sicherheit und Datenschutz kosten Geld. Dafür braucht es Motivation. Ob der Nutzen den Aufwand lohnt und sich die Mühe für ein Unternehmen oder den einzelnen Bürger rentiert, wird ganz individuell zu entscheiden sein", erklärt Andreas Heuer. Die Bundesagentur für Arbeit bietet schon seit Längerem den "Online-Dienst Kindergeld" an. Kunden der Familienkasse in Trier können Informationen über ihren Kindergeldbezug online abrufen und Änderungen von persönlichen Daten vollständig papierlos übermitteln. Doch Eltern aus der Region nutzen das Angebot kaum.
Aus Sicht der Familienkasse ist das bedauerlich: "Die Bewilligung des Kindergeldes beschleunigt sich bei diesem Verfahren, weil keine Rückfragen oder Ablehnungen aufgrund unvollständiger Angaben vorkommen", erklärt Thomas Mares, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Trier. "Nur wenn der Antrag vollständig ausgefüllt ist, kann er auch versandt werden." Aber: Nutzer drucken die Anträge stets aus und unterschreiben sie. Bisher hat niemand einen digital signierten Antrag über das Internet an die Familienkasse gesendet.
Die Verbandsgemeinde Gerolstein bietet zwar die Möglichkeit, der Verwaltung eine E-Mail mit qualifizierter Signatur zu schicken. "Die Nachfrage ist jedoch gleich null", stellt Mitarbeiter Thomas Baillivet fest.
Das Trierer Rathaus möchte im Lauf des Jahres 2012 Online-Leistungen anbieten. Welche das sein werden, ist noch offen.Meinung

Nur die Flucht nach vorne hilft
Der digitale Ausweis wurde vor neun Monaten mit viel Tamtam und Vorschusslorbeeren eingeführt. Inzwischen ist die Anfangseuphorie der Ernüchterung gewichen. Der angekündigte große Durchbruch für den Einsatz im Internet lässt auf sich warten. Das hat gute Gründe, die zum Teil absehbar waren. Das ganze System erscheint sehr komplex. So reicht der Besitz des Dokuments allein bei weitem nicht aus, um sich die schöne neue digitale Welt zu erschließen. Die Vorbehalte bei den Bürgern sind so groß, dass die weitaus meisten auf den vermeintlichen Online-Wunderschlüssel komplett verzichten. Dahinter steckt offenbar auch ein großes Informationsdefizit. Der Versuch einer TV-Umfrage unter Bürgern zum Thema blieb im Ansatz stecken: Die Befragten kannten sich entweder überhaupt nicht aus oder hatten Hemmungen, sich zu äußern. Da das System selbst kaum umzuwerfen ist, bleibt nur die Flucht nach vorne. Informationskampagnen auf allen Ebenen müssen erklären, was jeder davon hat und wie es funktioniert. Und Sicherheitslücken müssen geschlossen werden. m.hormes@volksfreund.de

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