Drei Monate nach dem Anschlag: Trauer über der Bucht der Engel

Nizza · Drei Monate nach dem Anschlag von Nizza ist am Samstag der 86 Opfer gedacht worden. Präsident Hollande beschwor in seiner Ansprache den Sieg der Menschlichkeit.

Nizza. "Christiane Locatelli, 78 Jahre", liest die Frauenstimme. "François Locatelli, 81 Jahre". Für jeden Toten stecken Schüler des Gymnasiums Masséna eine weiße Rose in die Kieselsteine rund um einen improvisierten Brunnen. Sechs weiße Rosen für die Mitglieder der Familie Locatelli, die durch den Anschlag am 14. Juli in Nizza nicht nur Großeltern, sondern auch Enkel, Tochter und Schwiegereltern verlor. Alle starben unter den Rädern des Attentäters, der den weißen Lastwagen nach dem Feuerwerk in Menschenmenge auf der Promenade des Anglais lenkte. "An jenem 14. Juli wolltet ihr den Himmel bewundern und nicht in den Himmel kommen", sagt Cindy Pellegrini mit tränenerstickter Stimme. Die Enkelin der Locatellis hat die schwere Aufgabe übernommen, für die Angehörigen der 86 Opfer und 360 Verletzten zu sprechen, derer am Samstag bei einer Zeremonie gedacht wurde.Mehr als 1000 Trauernde


Auf dem Schlosshügel mit Blick auf die tiefblaue Engelsbucht, vor der sich der Anschlag ereignete, haben sich mehr als 1000 Menschen versammelt: Verletzte in Rollstühlen in der ersten Reihe, Angehörige, Helfer und Politiker. Vertreter aller Parteien sind präsent, die konservativen Präsidentschaftsbewerber Alain Juppé und Nicolas Sarkozy ebenso wie die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Jeder weiß, dass Nizza am Nationalfeiertag stellvertretend für ganz Frankreich getroffen wurde. "Der Tag, wo Menschen zusammenkommen, die Generationen sich mischen, die Kinder sorglos spielen", beschreibt Präsident François Hollande die Stimmung. Die Sorglosigkeit endete um 22.32 Uhr, als der Attentäter in die Menge raste. Nach der Jugend, die am 13. November in Paris das Ziel der Attentäter war, galt der Anschlag des 14. Juli Familien, die den Nationalfeiertag feiern.15 Kinder unter den Toten


Der Staatschef beschreibt die Szenen des Horrors, die sich auf der weltberühmten Strandpromenade abspielten: "Kinder, die unter den Augen anderer Kinder starben." 15 der Opfer waren unter 18 Jahren. Kinder wie Léana Sahraoui, mit zwei Jahren das jüngste Opfer. "Die Opfer hatten nicht alle dieselbe Herkunft, dieselbe Hautfarbe, dieselbe Religion, aber sie sind vereint im Unglück." Auch deshalb sei nach der barbarischen Tat in den Kirchen von Nizza ebenso gebetet worden wie in den Moscheen und Synagogen. Mitte September hatte Papst Franziskus rund 300 Angehörige im Vatikan empfangen.
Die Familien hatten lange darauf gewartet, dass eine nationale Gedenkfeier stattfindet, so wie es nach den Anschlägen in Paris 2015 der Fall war. Nachdem Regierungschef Manuel Valls vier Tage nach dem Attentat ausgepfiffen wurde, war an eine Zeremonie an der Côte d'Azur erst einmal nicht zu denken.
Doch die streng abgeschirmte und scharf bewachte Feier verläuft am Samstag ohne Zwischenfälle.
Wie nach den Anschlägen im vergangenen Jahr appelliert Hollande an die nationale Einheit. Ziel des Attentäters sei es gewesen, zu töten, um das Land zu spalten. "Aber ich sage Nein. Dieses böse Vorhaben wird scheitern. Die Einheit, die Freiheit, die Menschlichkeit werden siegen." Zum ersten Jahrestag im nächsten Jahr soll eine Gedenkstätte an die Opfer erinnern.

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