"Dunkle Ära ist vorbei"

WASHINGTON. Freudentag für US-Präsident George W. Bush: Die Festnahme von Saddam Hussein stärkt ihn. Doch was wird der Dikator wirklich sagen?

"Die Folterkammern und Geheimpolizei sind für immer beseitigt. Kein Iraker muss jetzt noch Saddam Hussein und sein Regime fürchten." Als US-Präsident George W. Bush gestern mittag (Ortszeit) vier Minuten lang vor die Fernsehkameras tritt, liegen bereits stundenlange fieberhafte Beratungen und Anrufe bei den politischen Führern der engsten Verbündeten hinter ihm. Selbst ein sonst unantastbarer Kirchenbesuch wird vom Präsidenten für die Telefonrunde abgesagt, bei der allerdings zunächst Gerhard Schröder, Jacques Chirac und Wladimir Putin Berichten zufolge keine Berücksichtigung finden.Auch am Tag eines großen persönlichen Triumphes lässt Bush die europäischen Kriegs-Kritiker seinen Unmut spüren. Gleichzeitig widmet man sich im aus der Sonntagsruhe gerissenen Weißen Haus hektisch den nun aufgeworfenen Kernfragen: Wie die überraschende Festnahme von Saddam Hussein - kurz vor Beginn des Wahljahres - angesichts der weiteren Herausforderungen, Unwägbarkeiten und Gefahren im Irak öffentlich angemessen darstellen?Und: Wie geht es mit dem Gefangenen, der seine Luxuspaläste am Ende mit einer kalten, von Mäusen und Ratten bevölkerten Erdhöhle tauschen musste und trotz einer Pistole am Körper keinen Widerstand leistete, nun weiter? Bush, der bereits am Samstagnachmittag auf seiner Ranch in Texas von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld über den Zugriff und die wahrscheinliche Verhaftung informiert worden war und dann ins Weiße Haus zurück reiste, wollte gestern auf die Problematik, wo Saddam Hussein der Prozess gemacht werden solle, noch nicht detailliert antworten.Lieber tot als lebendig

"Saddam Hussein wird nun jene Gerechtigkeit erfahren, die er Millionen Menschen stets verweigerte", stellte der US-Präsident lediglich fest. Damit blieb zunächst unklar, ob die USA den Despoten dem frisch geschaffenen irakischen Sondertribunal übergeben werden."Den Mann, der meinen Vater umbringen wollte" (so Bush in einem früheren Zitat) hätte der Präsident - das war seit Kriegsbeginn immer wieder aus Regierungskreisen nach außen gedrungen - am liebsten jedoch tot gesehen. Denn nun könnte es weitere Nahrung für die bereits bestehenden Zweifel an der Kriegsbegründung Bushs geben: Redet Saddam Hussein beispielsweise darüber, wie weit seine Bemühungen um Massen-Vernichtungswaffen wirklich gediehen waren? Und beantwortet er auch die Frage, warum er bis zuletzt eine volle Kooperation mit den Vereinten Nationen verweigerte und so den USA das letzte Argument für einen Feldzug lieferte, den er militärisch niemals gewinnen konnte?Doch die Haupt-Botschaft, die das Weiße Haus jetzt zunächst verbreitet wissen will, lautet nun: Saddam Hussein, im Kartenspiel der Meistgesuchten das Pik As und nach Worten des bei der Fahndung federführenden US-Generals nun "wie eine Ratte gefangen", sei keine Bedrohung mehr, eine "dunkle und schmerzvolle Ära" (Bush) vorbei. Diese "gute Nachricht für das irakische Volk", so der Präsident weiter, müsse durch verstärkte internationale Bemühungen zum Wiederaufbau des Landes untermauert werden. Wenn Bushs Sonderbeauftragter James Baker nun seine Rundreise zu den Gläubigerländern Iraks beginnt, um über einen Schuldenerlass zu verhandeln, erhofft sich Bush nun ebenso deutliche Zugeständnisse wie bei der bisher eher enttäuschenden Truppenhilfe.Ob es zu dieser Unterstützung doch noch kommt, dürfte nach Ansicht von Beobachtern in Washington auch die Langzeit-Wirkung der Saddam-Festnahme auf den bevorstehenden Wahlkampf in den USA bestimmen. Mit Spannung wartet man nun auf neue Umfragen, nachdem die Popularität Bushs zuletzt immer mehr gesunken war und nur noch bei 50 Prozent gependelt hatte.Vor allem der aussichtsreichste demokratische Gegenkandidat Howard Dean hatte seine bisherige Strategie ganz auf die Probleme Bushs im Irak und die Schwierigkeiten beim Wiederaufbau abgestellt - doch nun ist ein wichtiges Argument für ihn entfallen. Kein Wunder, dass in ersten Analysen gestern US-Kommentatoren feststellten, der Präsident habe mit dem "Fang des dicksten Fisches" (CNN) seine Wahlchancen verbessert. Doch Bush selbst scheint sich der Risiken bewusst: "Die Gefangennahme Saddams bedeutet noch kein Ende der Gewalt," bereitete er das amerikanische und irakische Volk auf mögliche neue Hiobsbotschaften vor.

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