Durchwursteln am Hindukusch

3500 und keinen Mann mehr. So viele Soldaten darf die Bundeswehr laut Bundestagsbeschluss maximal nach Afghanistan schicken. Doch damit kommt die Einsatzführung immer schlechter aus. So wird die Grenze wegen eines Kontingentwechsels derzeit für einige Tage mit 3800 deutlich überschritten - ein klarer Verstoß.

Berlin. (wk) Eine neue Obergrenze fordert deshalb vehement der Bundeswehrverband. Für die große Koalition ist das Thema angesichts sinkender Zustimmung in der Bevölkerung jedoch heikel. So hat man Oberst Bernhard Gertz selten erlebt. Entschlossen zu allem hatte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes gestern kurzfristig zum Pressetermin geladen. Er wolle Klartext reden. Wegen der ab Sommer zusätzlich von Norwegen übernommenen Aufgabe, eine Schnelle Eingreiftruppe zu stellen, müsse die Bundeswehr kurzfristig 330 andere Dienstposten aus Afghanistan abziehen, um die Höchstzahl einzuhalten. Und zwar solche mit wichtigen Funktionen. So könne das Luftüberwachungsradar künftig nicht mehr rund um die Uhr laufen, sondern werde nur noch in einer Schicht bedient. Auch würden Brandschutzkräfte heimgeschickt. "Das alles hat sicherheitsrelevante Folgen", schimpfte Gertz und forderte eine Aufstockung auf 4000 Mann, noch bevor der Bundestag im Oktober über das Mandat für das nächste Jahr debattiert. Alles andere sei "nicht verantwortlich". Das ist Öl in ein Feuer, das die Koalition im Februar eingedämmt zu haben glaubte. Damals wurde bekannt, dass die Bundeswehr eine Anhebung auf 4500 Soldaten für notwendig hält, um flexibler zu sein. Das stieß auf heftigen Widerstand. So verkündete SPD-Chef Kurt Beck, eine solche Zahl sei "weit außerhalb dessen, was für uns vorstellbar ist", während sich sein Parteifreund Peter Struck offen für eine Anhebung zeigte. Kanzlerin Angela Merkel hielt sich bedeckt.

Gertz kritisierte viele Einsatzdetails. Ein Unding sei, dass 45 Feldjäger Polizisten ausbilden müssen, weil Bund und Länder die versprochenen 300 Polizeiausbilder nicht schickten. Oder dass die Soldaten zwar beobachten könnten, wenn feindliche Kräfte eine Raketen-Abschussposition aufbauen, aber nicht in der Lage seien, sie zu bekämpfen. Es fehle an Haubitzen und Zielortungsgeräten. Man lebe förmlich "von der Hand in den Mund", sagte Gertz und sprach von "durchwursteln".

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