Ehepartner als Zünglein an der Waage?

Knapp sechs Monate vor den ersten Vorwahlen richtet sich in den USA das Scheinwerferlicht wie in bisher keinem anderen Wahlkampf auf die Lebenspartner der Bewerber und deren private Vergangenheit.

Washington. Sie beschimpfe die Mitarbeiter ihres Mannes und diesen selbst mit derben, gelegentlich antisemitischen Flüchen. Sie gebe sich als exzentrische Diva, die bei Flugreisen für ihre Louis-Vuitton-Handtasche einen gesonderten Sitzplatz beanspruche, der dann für "Baby Louis" gebucht werden müsse. Und als Vertreterin eines Konzerns für chirurgische Geräte habe sie sich früher bei Verkaufsveranstaltungen nicht davor gescheut, Hunde bei praktischen Demonstrationen für Ärzte zu Tode zu quälen. Wenig schmeichelhaft ist das, was die US-Illustrierte "Vanity Fair" über Judith Giuliani enthüllt - die frühere Geliebte und nun dritte Frau des früheren New Yorker Bürgermeisters Rudolph Giuliani, der Umfragen zufolge unter den republikanischen Kandidaten für die Bush-Nachfolge die Nase vorn hat. Doch politische Beobachter wie Joan Walsh vom Online-Magazin "Salon" glauben, dass sich der Wind für die Giuliani-Kampagne schnell drehen kann: "Diese Frau," urteilt die Analytikerin, "ist für Rudy ganz klar eine politische Belastung." Knapp sechs Monate vor den ersten Vorwahlen richtet sich in den USA das Scheinwerferlicht wie in bisher keinem anderen Wahlkampf auf die Lebenspartner der Bewerber und deren private Vergangenheit - wobei sich bei Rudolph Giuliani eine der Kernfragen auch darum dreht, ob die konservative Wählerschicht einem Mann die Stimme geben wird, der sich schon einmal (zum Spaß) öffentlich als Frau verkleidete, zwei Scheidungen hinter sich hat und der monatelang ein Apartment mit einem Homosexuellen-Paar teilte. Profitieren vom neugierigen Blick hinter die privaten Gardinen könnte hingegen die bei den Demokraten vorn liegende Hillary Clinton. 42 Prozent aller Amerikaner, so ergab am Mittwoch eine Umfrage des Senders CNN, würden es als positiv ansehen, wenn Bill Clinton im Jahr 2009 wieder ins Weiße Haus einziehen würde - diesmal als "First Husband" ("Erster Ehemann"). Und jene, die bereits davor warnen, in der Regierungszentrale nach zwei Amtszeiten des bis heute populären Demokraten nun durch die Wahl Hillarys eine "Clinton-Dynastie" zu etablieren, weist die Senatorin energisch in die Schranken: "Ich bewerbe mich aufgrund meiner eigenen Errungenschaften." Dass dieser mit seiner Gattin nur noch pro forma unter einem Dach lebt und am liebsten an den Wochenenden in Los Angeles oder New York mit seinem engsten Freund, dem Supermarkt-Milliardär und Junggesellen Ron Burkle, durch die Nachtbars streift, dürfte vermutlich erst in der heißen Wahlkampfphase von den Clinton-Gegnern als Munition verwendet werden. "Dein Leben ist wie ein offenes Buch. Du kannst nichts verstecken," analysierte schon 1988 der Präsidentschaftsbewerber Michael Dukakis, dessen Frau sich damals die Abhängigkeit von Diät-Pillen vorhalten lassen musste. Heute gehen Kandidaten deshalb häufig in die Offensive, um sich keine Debatten über den Partner an ihrer Seite aufdrängen lassen zu müssen. So waren alle wichtigen TV-Nachrichtensender live dabei, als der Demokrat John Edwards und seine Frau Elizabeth in einer bewegenden Pressekonferenz im März diesen Jahres verkündeten, der zunächst als kuriert eingestufte Brustkrebs der Gattin sei zurückgekehrt und gelte nun als unheilbar, weil er sich bereits bis in die Knochen ausgebreitet habe. Dennoch werde sie in der Wahlkampagne ihres Mannes weiterkämpfen. In die Bewunderung angesichts dieser Aussage mischten sich dann allerdings auch Vorwürfe: Edwards nutze nun die Erkrankung seiner Frau, um vom Faktor Mitleid zu profitieren, ließen Mitarbeiter der Konkurrenten in vertraulichen Gesprächen verlauten.Schwer verdauliche Fakten für die Konservativen

Während US-Präsidenten wie Lyndon B. Johnson, der an Hautkrebs erkrankte, und der unter Drüsen-Problemen leidende John F. Kennedy erfolgreich den Mantel des Schweigens über ihre Probleme legen konnten, bemühen sich heute andere Aspiranten für das höchste Amt erst gar nicht um Geheimhaltung persönlicher Herausforderungen. "Die Bevölkerung hat heute eine größere Sympathie für Politiker, die mit gesundheitlichen Problemen kämpfen," bewertet der US-Historiker Robert Dallek den neuen Trend zur Offenheit. Doch für jene, die - wie Rudolph Giuliani - nebst Gattin wegen mutmaßlichen Fehlverhaltens in den Blickwinkel geraten, bleiben oftmals vor allem Spott, Hohn und weitere Medien-Enthüllungen: So merkten die US-Bürger kürzlich, dass Judith Giuliani bisher verschwiegen hatte, dass sie bereits dreimal den Weg zum Traualtar angetreten hatte. Und dass der Ex-Bürgermeister während seiner Amtszeit mehrere Detektive dazu verpflichtet hatte, ein geheimes "Liebesnest" zu bewachen, in dem er dann Ehefrau Nummer zwei mit der zukünftigen Ehefrau Nummer drei betrog. Fakten, die für Amerikas Konservative schwer verdaulich scheinen.

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