"Ein Ablenkungsmanöver"

BERLIN. Der Hamburger Medienexperte Professor Siegfried Weischenberg warnt die Medien davor, zum verlängerten Arm politischer Interessen zu werden. Die Veröffentlichung von Fotos, die die toten Söhne Saddams zeigen sollen, spiegele den Konflikt zwischen Informationspflicht und Menschenwürde wider, sagte er dem TV .

Herr Weischenberg, was halten Sie von den gezeigten Fotos? Weischenberg: Ein Beweis sind sie nicht, aber aus US-Sicht sollen die Fotos ja auch dokumentarischen Charakter haben. Hinter der Veröffentlichung verbirgt sich die Hoffnung, das Vertrauen der Iraker zu gewinnen. Geht diese Rechnung auf? Weischenberg: Nein, aber es ist wahrscheinlich das einzige Argument, das man ernsthaft anführen kann, um die Publikation dieser Fotos zu rechtfertigen. Wir haben wieder einmal den klassischen Konflikt von Informationspflicht versus Menschenwürde. Natürlich haben auch solche Schwerverbrecher wie die Söhne von Saddam Hussein ein Anrecht auf Menschenwürde. Das ist nicht dadurch ausgehebelt, dass man sagt, nur die Guten verdienen Respekt, und die Bösen darf man in jeder Pose publizieren. Heikel wird es, wenn die Abgebildeten als Kriegstrophäen herhalten sollen. Sind die Fotos denn eine Trophäe - oder vielleicht doch nur ein Dokument? Weischenberg: Es kommt sehr stark darauf an, in welcher Weise man das macht. Ich finde es allerdings ziemlich scheinheilig, wenn die Fotos gezeigt werden und die selben dann sagen, eigentlich dürfte man sie ja nicht bringen. Das hatten wir in Deutschland vor mehr als 15 Jahren auch mal, als der tote Uwe Barschel in der Badewanne gezeigt wurde. Da ist genau diese Diskussion geführt worden. Wo liegt aus Ihrer Sicht die Gefahr für die Medien? Weischenberg: Es wird dann gefährlich, wenn sich die Medien zum verlängerten Arm der Politik machen lassen. Dass die US-Regierung daran ein starkes Interesse hat, ist klar. Während des Irak-Krieges ist vor allem bei den amerikanischen Medien die Distanz massiv verloren gegangenen. Ich fand aber auch, dass die deutschen Journalisten die Gratwanderung zwischen Information und Instrumentalisierung gut hin bekommen haben. Nun haben nicht alle, aber viele Medien die Bilder veröffentlicht - ist das schon die von Ihnen befürchtete Instrumentalisierung? Weischenberg: Das ist schwierig zu beantworten. Man hat schließlich eine Informationspflicht, weswegen man nicht ganz darüber hinweggehen kann, wenn die Fotos auf dem Markt sind. Ich empfehle, das hinreichend zu relativieren und solche Bilder keinesfalls marktschreierisch zu publizieren. Mehr kann man wahrscheinlich nicht tun. Welche Botschaften verbergen sich noch hinter den Bildern? Weischenberg: Es ist ein völlig durchschaubares, politisches Ablenkungsmanöver in einer Zeit, in der die Regierung Bush ziemlich unter Druck gerät. Man hält die Bilder hoch und sagt, redet nicht über Kleinteiliges oder diskutiert über fehlende Massenvernichtungswaffen im Irak. Sondern über das, was wirklich passiert ist: Wir haben diesen Diktator besiegt, jetzt haben wir schon die Nummer Zwei und Drei und Nummer Eins kriegen wir demnächst auch noch. Das Interview führte TV-Korrespondent Hagen Strauß.

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