Ein Freispruch samt deftiger Richterschelte

Trier · Überraschendes Urteil in der sogenannten Rettungsfunkaffäre: Das Trierer Landgericht hat den ehemaligen Leiter der Saarburger Rotkreuzwache im Berufungsprozess freigesprochen. Dabei sparte der Vorsitzende Richter nicht mit Kritik an den luxemburgischen Rettungsfliegern.

 Deutliche Worte des Trierer Richters Peter Egnolff dürften den Verantwortlichen der luxemburgischen Air Rescue kaum gefallen. Foto: TV-Archiv

Deutliche Worte des Trierer Richters Peter Egnolff dürften den Verantwortlichen der luxemburgischen Air Rescue kaum gefallen. Foto: TV-Archiv

Trier. Wie können zwei Urteile zu ein und demselben Sachverhalt derart unterschiedlich ausfallen? Das werden sich jetzt viele fragen, die das seit Jahren schwelende juristische Gerangel um die gestörten Rettungsfunkfrequenzen im deutsch-luxemburgischen Grenzgebiet mitverfolgt haben. Es ist mittlerweile fünf Jahre her, dass die Trierer Staatsanwaltschaft glaubte, zumindest einen Schuldigen für die monatelangen Funkstörungen gefunden zu haben: den damaligen Leiter der Saarburger Rotkreuzwache. Der Rettungsassistent sollte aus Rache gegenüber der luxemburgischen Air Rescue (Luftrettung), die ihn einst gefeuert hatte, den Funkverkehr zwischen Hubschrauber und Einsatzkräften am Boden gestört haben.
Dorn im Auge der Luxemburger


Das kostete den bis dato unbescholtenen Familienvater letztlich den Job und brachte ihm darüber hinaus noch eine zweijährige Bewährungsstrafe des Trie rer Amtsgerichts ein.
Eine zu lasche Bestrafung, fand damals die Trierer Staatsanwaltschaft, eine viel zu harte, die Verteidigerin des Mannes.
Deshalb wurde der ganze Prozess vor dem Trierer Landgericht in den vergangenen neun Monaten noch einmal neu aufgerollt. Gestern, am 25. Verhandlungstag, dann das überraschende Urteil: "Wir sind nicht davon überzeugt, dass der Angeklagte die Taten begangen hat", sagte der Vorsitzende Richter der dreiköpfigen Kammer, Peter Egnolff, "er wird freigesprochen." Sämtliche Kosten, und das sind in diesem Mammutverfahren eine ganze Menge, trägt die Staatskasse.
Der Angeklagte bedankte sich mit einem kurzen Händedruck bei seiner Verteidigerin Ruth Streit, während die Staatsanwälte Matthias Teriet und Wolfgang Barrot etwas enttäuscht dreinschauten. Wenig verwunderlich, hatten die beiden Anklagevertreter doch zuvor für eine zweijährige Haftstrafe ohne Bewährung plädiert - wegen mehrfacher (versuchter) Körperverletzung. Begründung: Durch die Störmanöver habe der luxemburgische Rettungshubschrauber mit Verspätung den Einsatzort auf deutscher Seite erreicht, hätten die Patienten länger auf ärztliche Betreuung warten müssen.
Stimmt nicht, meinte dagegen der Vorsitzende Richter. Es sei in keinem Fall erwiesen, dass die Funkstörungen zu Verzögerungen bei den Einsätzen geführt hätten. Und es gebe auch keinen Beweis dafür, allenfalls Indizien, dass der Angeklagte den Funk gestört habe. Für eine Verurteilung reiche das aber nicht aus: In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten, sagt Peter Egnolff. Was den Vorsitzenden Richter an diesem Fall auch gewurmt hat: Der Angeklagte soll für fünf Funkstörungen verantwortlich gewesen sein, aber insgesamt 29 Störungen sind aktenkundig. "Was ist mit den anderen 24 Fällen, in denen der Angeklagte auch nach Meinung der Staatsanwaltschaft eindeutig als Verursacher ausscheidet?", fragte Egnolff. "Wir können nicht ausschließen, dass ein anderer Täter auch für die fünf dem ehemaligen Rettungswachenleiter zur Last gelegten Fälle verantwortlich ist."
Da dürften die beiden Staatsanwälte einmal mehr geschluckt haben. Eine wirklich kräftige Richterschelte gab es allerdings für die Verantwortlichen der luxemburgischen Air Rescue (LAR), denen der Vorsitzende Richter unterstellte, aus wirtschaftlichen Gründen einseitig gegen den Saarburger Rotkreuzler "ermittelt" zu haben. "Der Angeklagte war der LAR ein Dorn im Auge", weil er herausgefunden habe, dass der (deutsche) Notarztwagen einige Orte schneller erreichte als der luxemburgische Hubschrauber. Daraufhin sei die Einsatzplanung geändert worden, was letztlich zu weniger Einsätzen des Hubschraubers in Deutschland geführt habe. Das Ende vom Lied: Den Luxemburgern, die laut Egnolff für ihre Einsätze anfangs ohnehin Fantasiepreise gefordert hätten, ging Geld durch die Lappen.
Auch nach dem gestrigen Freispruch ist das juristische Tauziehen um die Funkaffäre noch nicht beendet. Die Staatsanwaltschaft wird vermutlich Revision gegen das Trierer Urteil einlegen. Zu seinem ehemaligen Arbeitgeber wird der ehemalige Rettungswachenleiter nicht zurückkehren. Er hat inzwischen einen neuen Job. Für die zwei Wochen, die er vor fünf Jahren wegen der Funkaffäre in Untersuchungshaft (siehe Extra) saß, wird er entschädigt.Untersuchungshaft oder U-Haft bedeutet die Unterbringung eines Beschuldigten in einer Justizvollzugsanstalt. Die Untersuchungshaft soll sicherstellen, dass der Beschuldigte beim Prozess anwesend ist. Die Anordnung, eine Person in Untersuchungshaft zu nehmen (Haftbefehl), darf nur von einem Gericht erlassen werden. Voraussetzung ist, dass der Beschuldigte in hohem Maße verdächtig ist. Weiter ist ein Haftgrund erforderlich, etwa Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr. Die Zeit in U-Haft wird in der Regel auf eine eventuell später verhängte Gefängnisstrafe angerechnet. Die Untersuchungshaft darf höchstens sechs Monate dauern. Saß jemand zu Unrecht im Gefängnis, kann er dafür eine Haftentschädigung verlangen. Für jeden angebrochenen Tag Haft gibt\'s 25 Euro. sey