Ein gehöriger Schwall Donauwasser im Moselkanal

TRIER. Zum x-ten Mal die "Schöne blaue Donau"? Schon wieder "Kaiserwalzer" oder "Tritsch-tratsch-Polka"? Das Städtische Orchester hatte sich zum Neujahrskonzert etwas Originelleres einfallen lassen.

Sage noch jemand, ein Konzert zum Jahresbeginn müsste seicht, melodienselig und möglichst mit den altbekannten Schmankerln daher kommen. Das Trierer Neujahrskonzert belehrte uns eines Besseren. Gleich die "Matinées Musicals" lieferten Rossini in einer Version von Benjamin Britten ab und präsentieren damit Italianitá augenzwinkernd und "Very British". Im "Delirien-Walzer" von Josef Strauß tobt sich die damalige Schauer-Oper aus. Und die "Polowetzer Tänze" des komponierenden Chemikers Alexander Borodin, da waren hörbar die Tataren unterwegs, oder vielleicht auch andere Reitervölker. Vor dem Orchester steht István Dénes, wie immer ohne Pult. Und conferiert, erzählt mit unnachahmlichem Charme, reißt Witzchen, informiert und dirigiert - nicht nur das Orchester, sondern auch noch das Publikum. Und das geht mit. So macht Neujahr Spaß. Nach der sektprickelnden Pause verbreitete Astor Piazzolla im nüchternen Trierer Theatersaal einen Hauch von stilisierter Spelunkenstimmung und versetzte in "La Muerte del Angel" sogar Bachs Fugenkunst an den Rio de la Plata - übrigens fürs Orchester eine schwierige und glänzend bewältigte Angelegenheit. So intelligent-unterhaltsam lief das Konzert weiter: mit dem Amerikaner Leroy Anderson (1908-1975), dessen Stücke Erinnerungen an längst Bekanntes auslösen; mit der "Maskenball"-Quadrille von Johann Strauß, bei sich alle Besucher der Verdi-Oper selig in Erinnerungen schwelgen können, dem "Künstlerleben"-Walzer mit seinen zahlreichen Assoziationen und dem schmissig musizierten "Freikugeln-Polka" - beides ebenfalls von Johann Strauß. Da dirigiert István Dénes auch mal mit den Ellenbogen und kickt zum Fortissimo-Schlag mit dem Fuß. Schadet nicht. Dafür sind Programm und Moderation einfach zu klug. Am Ende wurde Triers Generalmusikdirektor ernst und erinnerte an eines: dass man angesichts der Weltkatastrophen für jeden Tag Gesundheit dankbar sein müsse. Da kam sogar in den Radetzkymarsch ein neuer Tonfall. Ideen, witzige, inhaltsreiche Moderation, ein gehaltvolles Programm - was will man mehr? Und das Städtische Orchester spielte so brillant, so geschmeidig und so schwungvoll, als hätte sich ein Schwall Donauwasser in die Mosel ergossen. Ein famoses Konzert. Wie gut, dass es in Trier ein professionelles Theater gibt und ein professionelles Orchester!

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