Ein historisches Datum

Der 29. November 2006 wird als historisches Datum in die Geschichte der deutschen Rentenversicherung eingehen. Es ist der Tag, an dem die Bundesregierung eine denkbar unpopuläre Entscheidung fällte, von der alle Geburtsjahrgänge ab 1947 betroffen sind.

Über Sinn und Unsinn der "Rente mit 67" ist schon viel gestritten worden. Tatsache bleibt, dass der eigentlich erfreuliche Umstand des Älterwerdens seine sozialpolitische Kehrseite hat. Noch im Jahr 1960 bezog ein Rentner statistisch gesehen zehn Jahre lang die gesetzlichen Alterbezüge. Heute sind es bereits 17 Jahre. Und im Jahr 2030 werden es 20 Jahre sein. Gleichzeitig geht die Zahl der Menschen im aktiven Erwerbsleben immer mehr zurück, während die der Rentner steigt. Vor dieser Entwicklung die Augen zu verschließen, hieße, das aus Beiträgen finanzierte Rentensystem gegen die Wand zu fahren. In der Vergangenheit hat es nicht an Reparaturarbeiten gemangelt. Erst kam die Ökosteuer zur Mitfinanzierung der Rentenkasse, dann wurde der Rentenanstieg durch komplizierte Rechenfaktoren eingeebnet. Auch Beitragsanhebungen sind kein Tabu. Was fehlte, war eine Grundsatzentscheidung, um den demografischen Veränderungen nachhaltig Rechnung zu tragen. Der Beschluss des Bundeskabinetts füllt diese Lücke. Und das ist gut so. Die bittere Erkenntnis, dass ältere Arbeitnehmer kaum noch in Betrieben zu finden sind, lässt sich damit allerdings nicht vom Tisch wischen. Insofern liegt der Schluss nahe, dass die "Rente mit 67" lediglich ein Kürzungsprogramm darstellt, weil die Generation 50 plus aus den Unternehmen herausgedrängt wird und zum frühstmöglichen Renteneintritt deutliche Abschläge in Kauf nehmen muss. Ob die Unternehmen in Zukunft mit der älteren Generation weiter so stiefmütterlich umgehen, wird auch von den politischen Rahmenbedingungen abhängen. In der Vergangenheit gab es großzügige staatliche Frühverrentungsprogramme. Das machte es für Unternehmen attraktiv, ihre ältere Belegschaft "freizusetzen". Dieser Ungeist lebt nun wieder durch einen Parteitagsbeschluss der Union auf. Eine bloße Verlängerung des Arbeitslosengeldes für Ältere trägt jedenfalls nicht dazu bei, die Betroffenen wieder in Lohn und Brot zu bringen. Auch hinter dem Aktionsprogramm des Bundesarbeitsministers stehen Fragezeichen. Im Kern wurden die geltenden Regeln nur noch einmal gebündelt. Befristete Arbeitsverträge und Eingliederungszuschüsse haben sich aber schon bisher als stumpfes Schwert erwiesen, um die Arbeitsmarktchancen der über 50-Jährigen entscheidend zu verbessern. Bleibt die Hoffnung, dass Unternehmen schon wegen des sich abzeichnenden Fachkräftemangels umdenken - und die Politik alle Frühverrentungsideen zu den Akten legt. nachrichten.red@volksfreund.de

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