Ein Ja mit vielen Verrenkungen

Am Ende stimmten nur Berlin, in dem die Linken mitregieren, und Hamburg, wo die Grünen Koalitionspartner sind, dem Konjunkturpaket nicht zu. Mit großer Mehrheit nahm die Länderkammer das 50-Milliarden-Programm gestern an, so dass nun bald überall im Land mit dem Bauen begonnen werden kann.

Berlin. Union und FDP mussten sich gestern im Bundesrat gehörig verrenken, um die fünf Länder, in denen sie gemeinsam regieren, in Sachen Konjunkturpaket mit ins Boot zu bekommen. Philipp Rösler, der neue Wirtschaftsminister von Niedersachsen, gab die Marschrichtung vor. Einerseits kritisierte der Nachwuchsstar der FDP das Konjunkturpaket als "weiße Salbe". Mit ihren vielen Steuererhöhungen der vergangenen Jahre mache die Regierung das Gegenteil des Richtigen. Andererseits begründete er, warum die Liberalen in Niedersachsen ebenso wie in den von ihnen mitregierten Ländern Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen dem Programm trotzdem zustimmen wollten. Das, was die FDP verlange, schnelle Steuersenkungen, sei ja in einer Entschließung enthalten, über die anschließend abgestimmt werde und die die CDU-Ministerpräsidenten unterstützen würden. Dass die Entschließung, die dann tatsächlich die entsprechende Mehrheit fand, völlig unverbindlich ist, sagte Rösler nicht.

Heftiges Kopfschütteln beim Finanzminister



Der forsche Ton der Jungfernrede Röslers rief bei Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) schon beim Zuhören heftiges Kopfschütteln hervor; anschließend hieb Steinbrück zurück und warf dem 35-jährigen Liberalen mangelnde Realitätsnähe vor. Nur der im Bundesrat vorherrschende zurückhaltende Kammerton bewahre ihn davor, deutlicher zu werden.

Günther Oettinger (CDU), ein erklärter Gegner von Steuersenkungsversprechungen, hatte besondere Mühe, zu begründen, warum er die FDP-Linie mit trug. Einige Punkte in dem Text unterstütze man "besonders stark", sagte der baden-württembergische Ministerpräsident. Etwa die Forderung, das Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht aufzugeben. Andere, darunter die Absicht, die Anhebung des Grundfreibetrages nicht erst in zwei Stufen 2009 und 2010, sondern sofort in voller Höhe wirksam werden zu lassen, "besonders zurückhaltend". Den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) veranlasste das zu der bissigen Bemerkung, Union und FDP praktizierten hier "eine besondere Form des Selbstbetruges". Schuldenbremse und Steuersenkungen gleichzeitig, das passe eben nicht zusammen.

Oettinger sagte am Rande, die Entschließung sei sowieso nur "ein Placebo", womit Röslers Vorwurf der weißen Salbe gekontert war. Der FDP aber war an diesem Tag anderes wichtig: "Diese Entschließung macht die bürgerliche Mehrheit deutlich", sagte der neue stellvertretende hessische Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn.

Schwarz-gelbes Bekenntnis als Preis der FDP



Die Liberalen wollten als Preis für ihr Ja ein schwarz-gelbes Bekenntnis von den Unions-Ministerpräsidenten - und bekamen es. Die Reform der KFZ-Steuer ging nicht so glatt durch. Die Länder finden die Ausgleichszahlung des Bundes, die sie dafür bekommen sollen, dass sie die Hoheit über diese Steuer abgeben, zu gering und riefen den Vermittlungsausschuss an. Es geht um 55 Millionen Euro. Sie wollen so viel erhalten, wie die Steuer 2008 abwarf, ein besonders gutes Autojahr. Beim Konjunkturpaket, bei dem alle Baumaßnahmen "zusätzlich" sein müssen, damit der Bund Geld gibt, hatten die Länder noch gejammert, man könne die Zeit 2006 bis 2008 nicht als Vergleich nehmen, weil wegen des Aufschwungs in diesen Jahren doch außergewöhnlich viel investiert worden sei. So wurde der Bundesrat auch gestern wieder seinem Ruf als politischer und finanzieller Basar gerecht.

Meinung

Lernendes System

In der Dramatik des wirtschaftlichen Abschwungs wird auch Regierungspolitik zu einem lernenden System: Vor ein paar Monaten war Finanzminister Peer Steinbrück noch felsenfest davon überzeugt, dass die Rezession einen weiten Bogen um Deutschland machen werde. Dann musste die Große Koalition ein kleines Konjunkturpaket schnüren und erweckte den Eindruck, damit sei alles Menschenmögliche gegen die Krise getan. Seit gestern ist nun ein deutlich umfangreicheres Maßnahmenbündel politisch unter Dach und Fach - selten musste eine Regierung in so kurzer Zeit so oft ihre Überzeugung korrigieren. In der Sache hat sie allerdings vernünftig gehandelt. Die Investitionen, Zuwendungen und Steuerentlastungen im Umfang von 50 Milliarden Euro sind - allen Unkenrufen zum Trotz - geeignet, den ökonomischen Niedergang abzufedern. Einzig durch das taktische Geschacher im Bundesrat bekommt das Gesetz einen faden Beigeschmack. Besonders die FDP hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Im Bundestag lehnte sie das Paket aus tiefster Überzeugung ab, in der Länderkammer stimmte sie scheinbar schweren Herzens zu. Und gewissermaßen als Akt der Gesichtswahrung setzte die FDP noch einen Antrag durch, der weitere Steuererleichterungen in Aussicht stellt - nach der Bundestagswahl. Das grenzt an Volksverdummung. nachrichten.red@volksfreund.de

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