Ein Mann klarer Worte

Aachen. (dpa) Für seine Verdienste um die Vereinigung Europas erhält der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker am heutigen Donnerstag in Aachen den Karlspreis. Juncker ist trotz seiner erst 51 Lebensjahre der dienstälteste Regierungschef in der EU. Das Karlspreis-Direktorium zeichnet ihn als Vordenker und Motor der europäischen Einigung aus.

Als die Aachener Delegation Jean-Claude Juncker in Luxemburg den Karlspreis antrug, baten Radio-Journalisten in Erwartung einer kurzen Stellungnahme um einen "O-Ton" (Originalton). Juncker antwortete prompt und freundlich unter dem Gelächter der Anwesenden mit einem lang gezogenen "Ooooo". Der luxemburgische Premier nimmt die Menschen beim Wort und gilt selbst als Mann der klaren Worte. Die Begeisterung, mit der die Aachener Juncker feiern werden, ist nicht symptomatisch für die Stimmung in Europa. "Wir haben eine Krise, die nicht zu verleugnen ist. Es ist nicht die erste Krise, die die Europäische Union erlebt, aber es ist die erste tief greifende Krise", sagte Jürgen Linden (SPD), Aachener Oberbürgermeister und Mitglied des Karlspreis-Direktoriums. Die Entwicklung von Hoffnung zu Skepsis und Ablehnung spiegelt sich in den Karlspreis-Verleihungen der vergangenen Jahre wider. Vor drei Jahren hatte der frühere französische Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing Medaille und Urkunde erhalten - für die Aufgabe, die europäische Verfassung zu erarbeiten. Ein Jahr später, als der EU-Parlamentspräsident Pat Cox den Preis erhielt, rangen die EU-Länder um Einigung. Die Verleihung an den italienischen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi im vergangenen Jahr stand im Zeichen von Ablehnung und Skepsis. Juncker sagte unlängst in der "Süddeutschen Zeitung", derzeit herrsche in der EU mehr Erschöpfung als Begeisterung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte er kaum Erfolgschancen ein, wenn sie in der Zeit der deutschen EU-Präsidentschaft 2007 einen neuen Anlauf bei der Verfassung unternehmen will. "Wir haben eine pro-europäische deutsche Bundeskanzlerin", sagte er. "Aber mit welchem Regierungschef aus welchem großen Land soll sie denn jetzt den Verfassungskarren ziehen?" Ein Preisträger mit Talent zum Taktieren

Juncker hat sich mit seiner Erfahrung, seiner Geduld und seinem Talent zum Taktieren einen Namen als europäischer Krisenmanager gemacht. Ihm sei es zuzutrauen, den Weg zu finden, Europa wieder zu stabilisieren, hatte das Karlspreis-Direktorium bei der Zuerkennung festgestellt. "Ich erwarte von Jean-Claude Juncker Zuversicht und Optimismus und ein paar konkrete Ansatzpunkte. Er ist ein Pragmatiker und er ist ehrlich. Er hat zugleich das Vermögen, Visionen in Politik umzusetzen", beschreibt der Aachener Oberbürgermeister den Preisträger. Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wird die Laudatio auf Juncker halten. Kohl und Juncker waren lange Zeit politische Weggefährten. Kohl ist aber auch selbst Karlspreisträger und hatte die Auszeichnung 1988 mit dem damaligen französischen Präsidenten Francois Mitterrand erhalten.

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