Ein paar Stolpersteine bis Jamaika

Trier · Vieles deutet darauf hin, dass Deutschland bald von einem Dreierbündnis aus Union, FDP und Grünen regiert wird. Aber der Weg zu diesem Bündnis ist nicht einfach. Und nicht nur thematisch gibt es erhebliche Unterschiede.

Zwei Tage nach der Bundestagswahl mit herben Verlusten für Union und SPD sind in Berlin bereits heute die ersten Fraktionssitzungen mit den neuen Abgeordneten. Bis das neu gewählte Parlament erstmals zusammentritt, wird es allerdings noch etwas dauern. Noch langwieriger dürfte sich die Bildung einer neuen Regierung gestalten. CDU-Chefin Angela Merkel kündigte am Montag an, mit FDP, Grünen und der SPD über eine neue Regierung sprechen zu wollen. Die SPD-Spitze hatte allerdings noch in der Wahlnacht abgewunken und gesagt, man werde in die Opposition gehen.
Damit zeichnen sich Sondierungsgespräche für ein schwarz-gelb-grünes Dreierbündnis ab. Erst wenn diese erfolgversprechend verlaufen, wird es Koalitionsverhandlungen geben. Dass diese nicht einfach werden dürften, liegt auf der Hand. Zu groß sind die programmatischen Unterschiede zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen. "Das würde keine einfache Zusammenarbeit geben", prognostiziert der Eifeler CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Schnieder, der sein Direktmandat im Wahlkreis Eifel am Sonntag souverän verteidigt hat. Mögliche Stolpersteine sieht Schnieder etwa beim Thema Landwirtschaft.

Schwierig werden könnte es beispielsweise, wenn es um Massentierhaltung und Agrar-Industrie geht. Da sieht sich die Union eher an der Seite konventioneller Bauern, während Grüne der ökologischen Landwirtschaft den Vorzug geben.

Thema Soziales: Die Grünen treten bei Renten und Gesundheit für eine Bürgerversicherung ein, die von der FDP als "staatliche Zwangskasse" abgelehnt wird. Auch die Union ist dagegen.

Konfliktpotenzial birgt auch die Flüchtlingspolitik. Eine Obergrenze ist schon unter CDU und CSU heftig umstritten, die Grünen sind dagegen und für erleichterten Familiennachzug. FDP und Grüne sind für ein Einwanderungsgesetz und ein Punktesystem zur Steuerung der Zuwanderung.

Beim Thema Klimaschutz könnte es ebenfalls knirschen. Die Grünen treten dafür ein, ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zuzulassen. Die CSU wiederum will keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem ein Enddatum für den Verbrennungsmotor festgehalten ist. Und auch die Liberalen halten nichts von einem Verbot von Verbrennungsmotoren. "Da wird es wirklich schwierig", meint der Mainzer Politikwissenschaftler Thorsten Faas und nennt als weiteres Beispiel die Diskussion über sichere Herkunftsländer.

Mögliche Hürden sieht Professor Faas auch in den kulturellen Unterschieden bei Mitgliedern und Anhängern. "Da müssen die Parteien vor allem schauen, dass sie ihre eigenen Leute mitnehmen. Das wird nicht leicht", sagte Faas unserer Zeitung. Eine Einschätzung, die auch von Politikern des möglichen Jamaika-Bündnisses geteilt wird.

CDU-Chefin Angela Merkel ist dennoch zuversichtlich, dass eine neue Regierung trotz schwieriger Koalitionsverhandlungen bis Weihnachten im Amt ist. Die ersten personellen Weichen wurden schon gestern gestellt. Wenn es nach dem Willen Merkels geht, wird Unionsfraktionschef Volker Kauder heute von der neuen Fraktion im Amt bestätigt. Einen Wechsel wird es dagegen an der Spitze der SPD-Bundestagsfraktion geben. Die bisherige Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles soll neue Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag werden und Thomas Oppermann nachfolgen.

Zu einem Paukenschlag kam es bei der AfD: Parteichefin Frauke Petry kündigte am Montag überraschend an, der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören zu wollen. Steht jetzt eine erneute Spaltung der Partei bevor?

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Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis stürzten CDU und CSU auf zusammen 33 Prozent (-8,5%) ab, die SPD auf 20,5 Prozent (-5,2 %). Mit 12,6 Prozent wurde die erstmals im Bundestag vertretene AfD (+7,9%) drittstärkste Kraft. Die FDP kam auf 10,7 Prozent (+5,9%), die Linke auf 9,2 Prozent (+0,6%) und die Grünen auf 8,9 Prozent (+0,5%).

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