Ein salomonisches Urteil, das keiner Seite gefällt

Trier · Mit der gestrigen Bewährungsstrafe gegen den Trierer Gesundheitsmanager Hans-Joachim Doer fert könnten Angeklagter und Ankläger eigentlich zufrieden sein. Dennoch wird es wohl eine Neuauflage des Prozesses geben - auf Kosten des Steuerzahlers.

Trier. Was Hans-Joachim Doerfert von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der dar-aus resultierenden Anklage hält, macht der 67-Jährige auch am letzten Prozesstag noch einmal deutlich.
Als Oberstaatsanwalt Wolfgang Bohnen ein Loblied auf die Ermittler singt, die nur die Wahrheit ans Licht und nicht "Leute wieder hinter Gitter bringen" wollten, zupft Doerfert einen alten Spiegel-Titel aus der Aktentasche, dessen Schlagzeile bis in die letzte Bank deutlich zu lesen ist: "Fehlurteile", steht da mit großen Lettern geschrieben. Ob der gerichtserprobte Ex-Chef des Trie-rer Gesundheitskonzerns ctt da schon ahnt, welches Urteil die dreiköpfige Kammer des Amtsgerichts am Ende fällen wird?
Alte Spiegel-Berichte


Der Koblenzer Oberstaatsanwalt reagiert jedenfalls prompt und zieht ebenfalls einen alten Spiegel-Bericht aus dem Köcher. "Doerfert verteidigt sich mit der Umverteilung der Schuld auf andere", steht da zu lesen. Schlussfolgerung des Staatsanwalts: "Hier wiederholt sich das, was damals schon war."
Damals, das war 2001: Hans-Joachim Doerfert wird wegen Untreue in Millionenhöhe zu einer zehneinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Mit Scheinrechnungen, fingierten Verträgen und illegalen Immobiliengeschäften hat er bei dem katholischen Gesundheitskonzern ctt einen gewaltigen Schaden angerichtet, das Unternehmen fast in den Ruin getrieben.
2005 wird Doerfert vorzeitig aus der Haft entlassen, die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die noch offenen fünf Jahre könnten widerrufen werden - dieses Damoklesschwert schwebt die ganze Zeit über dem neuen Trierer Doerfert-Prozess. Der erinnert nur insofern an die damals bundesweit schlagzeilenmachenden Vorgängerverhandlungen, weil es erneut um wirtschaftliche Tricksereien geht. Allerdings ist die Dimension eine andere, und der angerichtete Schaden hält sich in Grenzen.
Teils gemeinsam mit ehemaligen Mitstreitern managte Doerfert vor einigen Jahren eine Beratungsfirma im Gesundheitsbereich, deren geschäftlicher Erfolg sich allerdings in Grenzen hielt. Die Firma machte schließlich Pleite, auch die danach aus der Taufe gehobene Folgefirma.
"Hans-Joachim Doerfert war der Chef des Ganzen", obwohl er offiziell nur als Justiziar in Erscheinung getreten sei, glaubt am Ende auch der Vorsitzende Richter Helmut Reusch. Folglich wäre auch der Quasi-Geschäftsführer Doerfert dafür zuständig gewesen, rechtzeitig Insolvenz anzumelden oder Bilanzen zu erstellen. Nur zwei der Vorwürfe, für die sich der 67-Jährige gestern schließlich eine elfmonatige Bewährungsstrafe einhandelt. 13 Verhandlungstage hat der seit April laufende Prozess am Trie-rer Amtsgericht gedauert, die Kosten dürften in die Zehntausende Euro gehen.
Einen Großteil dieser Kosten müsste der (verurteilte) Angeklagte zahlen.
Doch bei dem 67-Jährigen ist nichts zu holen: Der hoch verschuldete Doer fert hat Privatinsolvenz beantragt, seinen Pflichtverteidiger zahlt die Staatskasse, mithin der Steuerzahler.
Hans-Joachim Doerfert und auch der Oberstaatsanwalt sagen am Dienstag, sie wollten das Urteil anfechten. Es wird also irgendwann in Koblenz eine Neuauflage des Prozesses geben. Dabei müssten mit dem salomonischen Urteil eigentlich beide Seiten leben können: Weil er in Trier mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, dürfte dem Angeklagten der Widerruf der noch laufenden Bewährung erspart bleiben. Heißt: Doerfert bleibt auf freiem Fuß.
Auch Oberstaatsanwalt Wolfgang Bohnen müsste eigentlich zufrieden sein: Das Gericht hat Doerfert in allen angeklagten Punkten für schuldig befunden. Nur verhängte es eine Bewährungsstrafe statt Kittchen.
"Es ist zu erwarten, dass Herr Doerfert nicht mehr straffällig wird", sagt der Vorsitzende Richter Helmut Reusch. "Er hat ja jetzt das gewisse Alter erreicht, wo die geschäftlichen Aktivitäten nachlassen."

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