Ein schier unglaubliches Angebot für den Nürburgring

Mainz · Die Wettbewerbshüter in Brüssel müssen sich damit befassen, ob der Verkauf des Nürburgrings ordnungsgemäß abgelaufen ist. Die Insolvenzverwalter bekräftigen das, doch der unterlegene US-Bieter Nexovation sieht es anders.

Mainz. Ein verbindliches, von der Investmentbank LoHi MB bestätigtes Gebot über 150 Millionen Euro (davon 110 Millionen bar), weitere 200 Millionen Euro durch eine "erfolgsabhängige Komponente", ferner 500 Millionen Euro für Investitionen in die Infrastruktur in der Eifel und Ansiedlung eines bislang nicht vorhandenen Europasitzes in Rheinland-Pfalz: Dieses schier unglaubliche Angebot hat nach eigenen Angaben das global agierende US-Unternehmen Nexovation mit Hauptsitz in Nashville/Tennessee für den Kauf des Nürburgrings abgegeben (der TV berichtete am 29. März exklusiv).
Das Rennen hat ein anderer gemacht: Am 11. März erhielt der Düsseldorfer Automobilzulieferer Capricorn den Zuschlag.Suche nach Marktzugang


Er zahlt 77 Millionen Euro und hat schriftlich seine Absicht bekundet, weitere 25 Millionen Euro in der Eifel zu investieren. Der unterlegene Bieter will das nicht akzeptieren. Nexovation hat am Freitag Wettbewerbsbeschwerde bei der EU-Kommission eingelegt, weil sich die Firma im Bieterverfahren benachteiligt fühlt.
Das Innovationsunternehmen Nexovation sei "ein Unternehmen, unter dessen Dach diverse Technologien zusammengefasst sind", erklärt auf Volksfreund-Anfrage ein Sprecher. Als ein Beispiel für Produkte der Firma nennt er "ultradünne Kabel", die auf Wänden verlegt würden, so dass diese nicht aufgestemmt werden müssten - sinnvoll zum Beispiel für Musik-Lautsprecher.
Dem Vernehmen nach sucht Nexovation seit längerem einen Zugang zum europäischen Markt und sah den Nürburgring als ideale Ausgangsposition dafür, zumal Vorstandschef Robert Sexton Motorsporterfahrung haben soll und die Amerikaner offenbar auch große Musikevents veranstalten.
Sexton preist das "einzigartige Geschäftsmodell" für den Nürburgring, das auf die Bedürfnisse des Motorsports, der Autobranche und der Menschen in der Region ausgerichtet gewesen sei. Entsprechend sei die Zusage erfolgt, den Ring als Motorsportzentrum zu erhalten und sein historisches Erbe zu bewahren.
Die Beschwerde in Brüssel erfolgt deshalb, weil sich das Unternehmen "nicht ordnungsgemäß berücksichtigt" sieht. Von einem rechtsgültigen Verkaufsprozess auf Basis der EU-Gesetzgebung könne nicht ausgegangen werden. Nexovation habe sich "während des gesamten Bieterprozesses stets an die Fristen der Ausschreibung gehalten".Geänderter Stichtag


Die verbindliche Finanzierungszusage sei am 26. März, fünf Tage vor der vereinbarten Frist, vorgelegt worden. Vorstandschef Sexton behauptet, die Insolvenzverwalter hätten sein Unternehmen "nicht über einen geänderten Stichtag für die Abgabe der Finanzierungszusage informiert". Laut Nexovation sei zu befürchten, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses "ihre Entscheidung auf Basis falscher und unvollständiger Informationen getroffen haben". Da eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterzeichnet worden sei, könne man keine weiteren Informationen geben, sagt der Sprecher.
Die Insolvenzverwalter Thomas B. Schmidt und Jens Lieser betonen erneut: "Im Zuge des Investorenprozesses ist alles ordnungsgemäß gelaufen." Man nehme die Beschwerde zur Kenntnis. Aus Gründen der Vertraulichkeit könne man sich "nicht zu Details des Bieterverfahrens äußern".
Aus gut informierten Kreisen verlautet, mit Beschwerden unterlegener Bewerber sei zu rechnen gewesen. Der hoch komplexe Verkaufsprozess habe die Interessenten sehr viel Geld gekostet, mutmaßlich zwei bis vier Millionen Euro. Da alle unterlegenen Bieter auf ihren Kosten sitzenblieben, hielten manche eine Beschwerde in Brüssel für ein Mittel, um an ihr Geld zu kommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort