Ein schwarzes Schaf auf 40 weiße

STRASSBURG. Barbarische Quälereien hier, Tierschutzrichtlinien, die Schlachtvieh das Dasein zusätzlich erschweren, dort: Das Thema Tiertransporte ist ausgesprochen kompliziert.

Schweine, die bei einem Transport aus den Niederlanden 90 Stunden lang in einem LKW eingesperrt waren, und ein fünftägiger Transport von Pferden und Eseln aus Polen ohne Ruhezeit, Fütterung und Tränkung - diese Fälle aus jüngster Zeit sind ein Grund dafür, dass das Europäische Parlament einen neuen Anlauf unternommen hat, das Schicksal von Transporttieren zu erleichtern. Nach den geltenden Vorschriften dürfte es die beschriebenen Zustände gar nicht geben: Transporte müssen nach geltender EU-Gesetzgebung spätestens nach 29 Stunden beendet sein; Ruhe- und Fütterungspausen sind ebenso vorgeschrieben wie Mindeststandards für die Fahrzeuge. Doch abgesehen davon, dass Tierschützer die Vorschriften für unzulänglich halten, hapert es bei der Umsetzung. Die Pläne für grenzüberschreitende Transporte über acht Stunden müssen zwar Versorgung und Ruhepausen dokumentieren, werden aber nach Angaben der "Menschen für Tierrechte" kaum auf ihre Richtigkeit überprüft. Kontrollen fänden so gut wie gar nicht statt. Die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" berichtet gar von Kontrollaktionen, bei denen Beamte gar nicht wussten, was sie kontrollieren sollten. Ein Dorn im Auge sind Tierschützern vor allem auch die Exportsubventionen der EU. Sie gleichen den Unterschied zwischen dem Preisniveau innerhalb der EU und dem niedrigeren Weltmarktpreis aus und machen Transporte etwa in den Nahen Osten oder nach Nordafrika erst lukrativ. Gerade bei diesen Transporten kommt es aber zu schlimmsten Tierquälereien. Besonders aus den Verladehäfen des Mittelmeeres dringen immer wieder erschütternde Berichte nach draußen - zuletzt von schwer verletzten Tieren, die mit Schlägen und Stromstößen auf die Beine gezwungen und notfalls per Gabelstapler oder Seilwinde an Bord der Schiffe gebracht werden. Nach Angaben der "Menschen für Tierrechte" werden jedes Jahr etwa 300 000 Rinder lebend aus der EU exportiert - Europas Steuerzahler koste das 44 Millionen Euro. Konzentration auf weniger und größere Schlachthöfe

Das Europäische Parlament drängt nun nicht nur auf eine Durchsetzung der bestehenden Vorschriften, sondern auf ihre Verschärfung. Von der im Juni verabschiedeten Resolution verspricht sich die Grünen-Abgeordnete Hiltrud Breyer eine Verstärkung des ohnehin bestehenden Drucks auf die EU-Kommission. "In Besuchergruppen ist der Transport von Tieren fast immer ein vorrangiges Thema", berichtet Breyer. Blockiere die Kommission die Forderungen des Parlaments etwa nach kürzeren Transportzeiten, gerate sie in ein schlechtes Licht. Die Politikerin aus dem Saarland befürchtet eine Verschärfung des Problems durch die bevorstehende Ost-Erweiterung. Sie hofft, dass die Kommission im kommenden Jahr einen Verbesserungsvorschlag präsentiert. "Eine Gesellschaft wird auch ein bisschen daran gemessen, wie sie mit ihren Tieren umgeht", sagt sie. Schlachtvieh müsse nicht von Norddeutschland nach Neapel gekarrt werden. Dass es solche Transporte dennoch gibt, ist eine Folge des freien Warenverkehrs - und der Konzentration auf immer weniger und immer größere Schlachthöfe. So wurden nach Angaben des Statistischen Amtes der EU 2001 etwa drei Millionen Rinder, 30 Millionen Schweine, 1,5 Millionen Schafe, 250 000 Pferde und 500 Millionen Geflügeltiere quer durch Europa oder in Drittstaaten geschafft - die Transporte innerhalb der Mitgliedstaaten kommen noch hinzu. Angela Dieckmann, Vorstandsmitglied im Bundesverband deutsche Tiertransporte, warnt derweil vor Schnellschüssen. Die Argumentation etwa, lange Transporte vermeiden zu wollen, greife nicht in jedem Fall: "Wenn die islamischen Länder keine Tiere aus der Europäischen Union bekommen, importieren sie sie aus Australien." Auch die Transporteure seien für Tierschutz, sagt Dieckmann, Fahrer von Viehtransporten würden in Deutschland sogar entsprechend geschult. "Ich schätze, dass auf ein schwarzes Schaf 40 gute Transporteure kommen." Doch nicht alle Tierschutz-Vorschriften nutzten tatsächlich den Tieren. "Wir müssen zum Beispiel nach 14 Stunden Fahrt eine Pause einlegen und die Tiere tränken - auch, wenn das mitten in der Nacht ist und sie gerade schlafen", berichtet Dieckmann. Und den Ruf nach kürzeren Transportzeiten sieht sie ebenfalls kritisch: "Wenn ich unsensibel fahre, habe ich den Tieren nach 100 Kilometern schon geschadet. Wenn nicht, ist der Stress der Tiere nach neun Stunden geringer als nach drei." KOMMENTAR SEITE 2

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