Ein Superstar auf dem absteigenden Ast

Washington. Hätten die Terroranschläge des 11. Septembers in New York und Washington verhindert werden können? Dieser Frage geht ein Untersuchungsausschuss in den Vereinigten Staaten nach. Mit wenig erfreulichen Ergebnissen für die Regierungen Bush und Clinton.

Es war eine dramatische Szene, eingefangen von den Kameras und live übertragen in die amerikanischen Haushalte. "Ihre Regierung hat versagt, und ich habe versagt. Dafür bitte ich Sie um Vergebung", adressierte der frühere Antiterror-Abteilungsleiter Richard Clarke - er diente sowohl unter Bill Clinton wie auch bis 2003 unter George W. Bush - am Mittwoch zu Beginn seiner Vernehmung vor dem unabhängigen Untersuchungsausschuss die Öffentlichkeit. Seine damit übermittelte Botschaft war unmissverständlich: Bush habe die Bedrohung durch El Kaida nicht ernst genug genommen und trage deshalb eine Mitschuld an den Attacken. Was durch die Aussagen von Clarke und anderen Zeugen derzeit in Washington bekannt wird, ist dabei nicht nur schwerer politischer Ballast für die Bush-Regierung, sondern stellt auch direkt die Fähigkeiten einer Frau in Frage, die beim Einzug ins Weiße Haus von amerikanischen wie ausländischen Medien (Die BBC: "Ein neuer Superstar") gefeiert und teilweise sogar schon als Vize-Präsidentschaftskandidatin im Gespräch war: Bushs Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice. Die Professorin für politische Wissenschaften an der Stanford-Universität und begeisterte Pianistin sieht sich derzeit nicht nur mit Misstönen konfrontiert und in die Defensive gedrängt, weil sie - wie auch Bush - partout einen öffentlichen Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss verweigert und Außen-Staatssekretär Richard Armitage als Ersatz schickte, bei dessen Auftritt dann Angehörige von Terroropfern den Saal aus Protest verließen. Sie hat auch bisher versäumt, einen der größten Widersprüche im Zusammenhang mit den Anschlägen des 11. Septembers 2001 aufzuklären. Denn bis heute verfolgt sie eine Aussage, die sie im Mai 2002 gegenüber Journalisten machte: "Niemand konnte voraussagen, dass die Terroristen ein gekapertes Flugzeug als Waffe einsetzen würden." Doch Geheimdienst-Analysen, die auch den Weg ins Weiße Haus gefunden haben müssen, widersprechen dem: In gleich mehreren Berichten hatten Experten vor derartigen Attacken gewarnt - und dies zuletzt nur vier Wochen vor dem folgenreichen El- Kaida-Anschlag. Hat also Rice den Präsidenten in Sachen Antiterror- und später auch Irak-Politik schlecht beraten, oder hat sie sich beim Dauer-Konflikt um maximalen Einfluss auf Bush zwischen den "Tauben" (vor allem US-Außenminister Colin Powell) und den "Falken" (Vizepräsident Dick Cheney und Pentagon-Chef Donald Rumsfeld) einfach kein Gehör verschaffen können? Dass Rice derzeit "abgetaucht" ist und lediglich über kurze Auftritte bei Fernsehsendern versucht, den durch die Clarke-Vorwürfe entstehenden Schaden zu begrenzen, fördert die Suche nach Antworten nicht und ist in den letzten Tagen mehrfach massiv von Demokraten, aber auch Republikanern im Untersuchungsausschuss kritisiert worden. Ihr Fernbleiben begründet Rice offiziell mit dem Argument der Gewalten-Teilung: Präsidentenberater, die wie Rice nicht dem Kabinett angehören, würden traditionell nicht über vertrauliche Ratschläge berichten, die sie dem Regierungschef gegeben hätten. Unerwähnt lässt sie dabei allerdings, dass in der Vergangenheit mehrfach Präsidentenberater dem Kongress Rede und Antwort standen - wie etwa Zbigniew Brzezinski, der Präsident Jimmy Carter beriet, oder auch Samuel Berger, der Bill Clinton in sicherheitspolitischen Fragen zur Seite stand und diese Woche aussagte.

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