Ein Tattoo, ein Bischof, ein Ziel

Bonn · Ende November beginnt in Paris der UN-Weltklimagipfel. Dorthin führt auch der Weg der von den Kirchen unterstützten Klimapilger. Beim Zwischenstopp in Bonn trübt eine eher ungute Nachricht die Atmosphäre.

Bonn. Die Dunstglocke an diesem grauen Freitag mutet ein bisschen an wie eine dieser Smogwolken über Peking, die sie neuerdings in den Fernsehnachrichten zeigen. Aber das hier ist nicht China, sondern Bonn. Und im Herbst gehört der Nebel zum früheren "Bundesdorf" am Rhein ebenso dazu wie der weithin sichtbare "Lange Eugen" zur Silhouette der Stadt.
In dem ehemaligen Abgeordnetenhochhaus sitzen heute mehrere UN-Organisationen wie das Klimaschutzsekretariat UNFCCC. Dort laufen die Fäden für den Weltklimagipfel Ende November in Paris zusammen. Und dort treffen sich jetzt die "Klimapilger" zu einer Andacht. Sie wollen mit ihrem Fußmarsch von Flensburg nach Paris für einen gerechten und verbindlichen Vertrag zum Klimaschutz werben.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Kommission Justitia et Pax, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, fordert die Politik auf, "zugunsten der Armen, der Schöpfung und der kommenden Generationen zu handeln". Die Direktorin des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, appelliert an den Bürgersinn der Zuhörer. Viel sei schon gewonnen, "wenn wir es schaffen, unser eigenes Verhalten so zu ändern, wie wir es von den Regierungen fordern".
Für die Farbtupfer an diesem Tag sorgt die vierte Klasse der Burgschule aus dem Bonner Stadtteil Bad Godesberg. Die Kinder halten selbst gefertigte Schilder in die Höhe. "Müll liegt einfach da/leider räumt ihn keiner weg/blöder, blöder Dreck!", lautet die Zivilisationskritik der kleinen Leute. Die Erwachsenen singen derweil "Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn" aus den "Liedern und Texten zum Ökumenischen Pilgerweg".
Ein Hauch Friedensdemo der 1980er Jahre weht durch das ehemalige Regierungsviertel am Rhein. Der Wunsch etwas voranzubringen eint Klein und Groß. Bonns neuer Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan (CDU) zeigt sich überzeugt, "dass sich die Welt nur dann bewegt, wenn wir uns bewegen".
Die meisten derjenigen, die im Schatten des "Langen Eugen" beten, singen und später rheinabwärts weiterziehen, sind allerdings nur bei diesem Teilstück des Ökumenischen Pilgerwegs dabei. Einige wenige begleiten die Aktion seit ihrem Start Mitte September in Flensburg. So wie Heike Mertens mit ihrer Berner Sennenhündin Alma. Die Mutter dreier erwachsener Kinder will, so sagt sie, dass die Erde auch dann noch ein lebenswerter Ort ist, wenn einmal ihre Enkel zur Welt kommen.
Nicht weit von Mertens entfernt steht Hubert Schulze Dieckhoff aus Münster. Er hat sich vorgenommen, bis Paris durchzuhalten. Der 58-Jährige erinnert sich an eine Situation auf freier Strecke. Bei der Debatte darüber, ob man die Straßenseite wechseln solle, habe ein vorbeifahrendes Auto um ein Haar einen Teil der Gruppe erwischt. "So ähnlich läuft es bei den Klimaverhandlungen", meint Schulze Dieckhoff. Jeder schaue nur auf seine eigenen Ziele. "Und wenn niemand aufpasst, kommt ein Unglück." Aber, so gibt sich der Wandersmann zuversichtlich: "Bei uns ist ja auch noch mal alles gutgegangen."
Ausgerechnet zur gleichen Zeit legt UNFCCC-Chefin Christiana Figueres in Berlin einen Bericht vor, der die nationalen Klima-Aktionspläne von 140 Ländern zusammenfasst. Demnach wird die Staatengemeinschaft ihr selbst gestecktes Ziel wohl verfehlen. Allen anvisierten Maßnahmen zum Trotz wird die Durchschnittstemperatur auf der Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um 2,7 Grad steigen. Angepeilt sind 2,0 Grad.
Die Klimapilger lassen den Kopf nicht hängen. Auf einer Großkundgebung in Paris wollen sie am 28. November, kurz vor Gipfelbeginn, die Staats- und Regierungschefs noch einmal wachrütteln. Geplant sei eine friedliche Demonstration, sagt Karin Kortmann, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Aber wenn absehbar sei, dass das Spitzentreffen wie so viele Gipfel vorher ohne handfeste Ergebnisse ende, werde man die Transparente umschreiben. Ein bisschen Friede. Und ein ganz kleines bisschen Barrikadenkampf in Paris - für diese Erde, auf der wir wohnen.

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