Ein ungewisses Aber bleibt

Eines ist klar, eine gesetzliche Regelung über die Patientenverfügung wird niemals abschließenden Charakter haben können. Mit diesem Vorhaben bewegt sich der Mensch in dem sensibelsten Bereich, den es überhaupt geben kann: der Linie zwischen Leben und Tod.

Einem Ja oder einem Nein zum Grenzübertritt durch den Abbruch oder den Erhalt medizinischer Maßnahmen wird immer ein ungewisses Aber folgen müssen; jeder Fall, jedes Schicksal hat seine eigene Bewertungsgrundlage. Auch moralisch. Es kann also kaum eine Allgemeingültigkeit geben, die sich in einen Gesetzestext gießen lässt. Vom Grundsatz her ist es richtig: Jeder Mensch hat ein Selbstbestimmungsrecht. Er muss für sich bei klarem Verstand entscheiden dürfen, welche medizinischen Maßnahmen er wünscht und welche nicht. Das hat nichts mit Sterbehilfe oder Recht auf Selbstmord zu tun. Das ist Humanismus - ich Mensch nehme mein Leben in die Hand oder gebe es aus derselben. Und zwar dann, wenn das Leben aus medizinischer Sicht nicht mehr lebenswert ist. Nur dann. Aber: Wann ist das der Fall? Wer traut sich zu, dies wie festzulegen? Das ist die schwierige Aufgabe staatlicher Fürsorge. Ein Gesetz wird jedoch in der Praxis scheitern, wenn es das Selbstbestimmungsrecht per Definition begrenzt, in dem es tödlich verlaufende Krankheiten oder Grundleiden anführt. Das können oft nicht einmal die behandelnden Ärzte oder Pfleger sagen. Ein Gesetz ist auch hilflos, wenn es den Begriff "Unumkehrbar" zum Maßstab der Grenzentscheidung macht. Es gibt Krankheiten, die verlaufen unabwendbar tödlich. Es lässt sich trotzdem unbestimmt lange damit leben. Man nehme nur die Immunschwächekrankheit Aids. Insofern ist das, was im Bundestag vor allem debattiert wird, eher untauglich. Ein Gesetz kann nur sinnvoll sein, wenn es dem Menschen sein Selbstbestimmungsrecht belässt, aber hilft, dieses Recht praktisch auszufüllen. Es muss eine Anleitung sein, wie Patientenverfügungen abzufassen sind, damit Ärzte und Pfleger nicht in moralische Zweifel und rechtliche Dilemmata gestürzt werden. Ein Gesetz muss wiederkehrende Beratung zur Pflicht machen. Nur so nimmt man den Menschen ihre diffusen Ängste, von denen es reichlich gibt. Gut, dass sich die Politik viel Zeit nimmt, über die gesetzlichen Regelungen zur Patientenverfügung nachzudenken. nachrichten.red@volksfreund.de

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