"Eine absolute Katastrophe"

METZ/ Zoufftgen . Beim Frontalzusammenstoß zweier Züge in Lothringen sind am Mittwoch mehrere Menschen ums Leben gekommen. Die genaue Zahl stand am Abend noch nicht fest. Zunächst war von zwölf Toten die Rede gewesen, doch die Präfektur sprach am Abend von fünf bestätigten Toten. Zahlreiche Menschen wurden schwer verletzt.

Ein kleines weißes Schild am Leitungsmast mit der Angabe Kilometer 203,7 markiert an der Eisenbahnstrecke die Grenze zwischen Frankreich und Luxemburg. In der Nähe liegt das Dörfchen Zoufftgen. Genau an dieser Stelle, mitten in einem sonst einsamen Waldstück, türmt sich ein riesiges Knäuel von verbogenem Blech. Der zweistöckige Personenzug der luxemburgischen Eisenbahngesellschaft CFL ist gestern Vormittag unterwegs ins lothringische Nancy, als ihm ein Güterzug aus Richtung Frankreich auf dem selben Gleis entgegenkommt. Zu spät für eine Notbremsung - die beiden Loks stoßen frontal zusammen. Der Aufprall ist derart heftig, dass die Waggons des Güterzuges aus der Gleisspur geschleudert und übereinander geschoben werden. Feuerwehrleute versuchen den ganzen Nachmittag über, sich mit Schweißgeräten einen Weg durch das Metallgewirr zu bahnen, reißen Sitze und große Teile der Verkleidung des Waggons heraus. Noch wissen die Retter nicht, wie viele weitere Tote sie im Innern finden werden. Niemand geht aber davon aus, dass noch Menschen lebend geborgen werden. 20 Reisende sollen in dem Zug gesessen haben. Mehr als 200 Rettungskräfte und Polizisten beider Nationen sind im Einsatz. "Ich habe so etwas noch nie erlebt. Und ich habe schon viele schlimme Unfälle gesehen. Doch hier fühlt man sich machtlos", sagt ein Sanitäter aus Thionville. Die Zusammenarbeit mit den Luxemburger Rettungskräften sei jedoch "großartig", man arbeite "Hand in Hand". Die Opfer seien ohne Verzögerung nach Luxemburg und Frankreich ins Krankenhaus gebracht worden. Die Überlebenden stünden unter Schock und würden von Psychologen betreut. Während auch der gerade am Unglückort eingetroffene französische Premierminister Dominique de Villepin die "gute Kooperation" lobt, erzählt ein Luxemburger Journalist, ihm sei bestätigt worden, dass der Rettungshelikopter der Air Rescue acht Minuten auf dem Flughafen Findel habe warten müssen, bevor er vom Tower die Erlaubnis zum Start bekam. Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker spricht derweil von einer "absoluten Katastrophe" und einem "individuellen Drama, das man nicht fassen kann". Es müsse intensiv nach der Ursache gesucht werden, nötigenfalls müssten Konsequenzen gezogen werden. Für den luxemburgischen Verkehrsministers Lucien Lux ist dies "der schlimmste Tag seiner politischen Karriere". Der Politiker war bis vor kurzem Bürgermeister in der Gemeinde Bettemburg, nur wenige Kilometer vom Unfallort entfernt. Die "unbeschreiblichen Bilder" hätten ihn zutiefst ergriffen, sagt Lux. Über die Ursachen wolle er nicht spekulieren, die französische und luxemburgische Staatsanwaltschaft hätten die Ermittlungen aufgenommen. Fest stehe jedoch, dass die Weichen falsch gestellt waren. Wegen Bauarbeiten war nur eine Fahrspur in Betrieb, der Zugverkehr verlief nach Angaben der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF abwechselnd in beide Richtungen. "Die Bergungsarbeiten dauern vermutlich noch bis in die frühen Morgenstunden an", sagte Lux. Ein Kran sei unterwegs, der die Wracks hochheben werde. "Erst dann haben wir Gewissheit über die Zahl der Opfer."

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