"Eine Art Selbstbedienungsladen"

Trier · Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier misst dem Flughafen Hahn eine sehr große wirtschaftliche Bedeutung für die Region bei. Das Land müsse den Luftfahrt-Standort erhalten, die Sanierung vorantreiben und zügig neue Visionen entwickeln.

 Peter Adrian, Präsident der IHK Trier. TV-Foto: Roland Morgen

Peter Adrian, Präsident der IHK Trier. TV-Foto: Roland Morgen

 Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier. TV-Foto: F. Vetter

Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier. TV-Foto: F. Vetter

Trier. Peter Adrian erinnert sich noch gut an die Anfänge der zivilen Fliegerei im Hunsrück, nachdem die Amerikaner Anfang der 1990er Jahre den Militärflugplatz Hahn verlassen hatten. Im Interview mit TV-Redakteur Frank Giarra erläutern der IHK-Präsident und der IHK-Hauptgeschäftsführer, Jan Glockauer, was das Land als Hauptgesellschafter des Flughafens tun könnte, um diesen in eine gesicherte Zukunft zu führen.Warum braucht die Region den Flughafen Hahn?Jan Glockauer: Die Region benötigt ihn als Wirtschaftsstandort. Er ist Teil der Daseinsvorsorge. Viele Firmen haben sich dort oder in der Umgebung angesiedelt. Ohne den Hahn gäbe es im strukturschwachen Hunsrück Tausende Arbeitsplätze weniger.Peter Adrian: Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Firma Mettler in Morbach ist Weltmarktführer für Papier- und Kunststoffverpackungen. Sie hat europaweit knapp 3000 Beschäftigte und mehrere Niederlassungen im Ausland. Der Hahn ist für die Konzernzentrale eine wichtige Verkehrsinfrastruktur, um das Unternehmen zu leiten.Was ist in der Vergangenheit vor allem schiefgelaufen?Adrian: Aus der strategisch guten Wahl für diesen Standort ist dummerweise eine rein staatliche Lösung geworden. Es gibt leider fast keine positiven Beispiele, wenn sich die öffentliche Hand als Unternehmer versucht.Glockauer: Ein Staatsbetrieb entwickelt seine eigene Dynamik. Es fehlt die strenge betriebswirtschaftliche Kontrolle. Nehmen Sie als Gegenbeispiel die IHK-Organisation: Wir werden zu einem großen Teil von den Beiträgen der Mitglieder finanziert. Aber diese Unternehmer kontrollieren uns auch. Das funktioniert einwandfrei.Können Sie nachvollziehen, dass ein Flughafen in Finanznöten Sportvereine sponsert?Glockauer: Die Frage müsste lauten, ob es sich hier um ein echtes Sponsoring oder eher um Mäzenatentum handelt.Adrian: Wer Sponsoring betreibt, dem muss sich dadurch ein wirtschaftlicher Vorteil bieten. Das ist hier nicht erkennbar.Es gibt offenbar auch den Verdacht von Unregelmäßigkeiten.Adrian: Dazu ist mir nichts bekannt. Wenn ein Betrieb aber jahrelang relativ unkontrolliert bleibt, entwickelt sich leider schnell eine Art Selbstbedienungsladen.Glockauer: Man muss klar sagen, dass ohne die EU-Kommission wahrscheinlich überhaupt nichts am Hahn passiert wäre. Die EU will den Subventionsfluss an Regionalflughäfen unterbinden, der Geldsegen des Landes wird also binnen zehn Jahren versiegen. Deshalb gibt es keine Alternative: Es muss gehandelt werden.Was muss denn geschehen, damit der Hahn eine Zukunft hat?Adrian: Das Land ist mit dem eingeleiteteten Sanierungskonzept des neuen Geschäftsführers Heinz Rethage auf dem richtigen Weg. Betriebswirtschaftlich muss alles stringent aufgearbeitet werden: Personalkosten, Gebäudemanagement, die Erlösstruktur. Allein der durchaus mögliche Anschluss an eine Pipeline würde 20 Prozent niedrigere Treibstoffkosten bedeuten und wäre ein großer Standortvorteil.Glockauer: Es sind zunächst die vielen kleinen Dinge. Das Sponsoring, die Dienstwagenregelung, die Gastronomie, die Parkraumbewirtschaftung - all das muss hinterfragt werden. Und selbst das wird letztlich nicht reichen.Was fehlt Ihrer Meinung nach?Glockauer: Man braucht zusätzlich Konzepte und Visionen, was man mit dem Hahn machen und wo man mit ihm hin will.Adrian: Der Hahn hat mit der 24-Stunden-Betriebsgenehmigung ein Alleinstellungsmerkmal. Das wird kaum genutzt. Ich rate allerdings davon ab, sich zusätzliches Frachtgeschäft durch eine Verlagerung vom Flughafen Frankfurt zu erhoffen.Warum das?Adrian: 60 Prozent der Fracht wird über normierte Container abgewickelt, die bei Linienmaschinen beigeladen werden. Die Verteilung geschieht über die Hauptdrehkreuze Frankfurt, Hamburg und München, wo unzählige Logistikfirmen sitzen. Auf dem Hahn ist die Distribution schwierig. Deshalb sagt die Lufthansa auch, sie ginge eher nach Köln-Bonn als zum Hahn.Wenn zusätzliches Frachtgeschäft unwahrscheinlich ist, was könnte dann helfen? Die Passagierzahlen sinken doch seit Jahren auch kontinuierlich.Glockauer: Der Hahn darf nicht auf Sackgassen wie das normale Frachtgeschäft hoffen, sondern muss sich vielversprechende Nischen suchen.Adrian: Spezialfracht wäre eine solche Nische. Schon heute werden zum Beispiel riesige Turbinenteile am Hahn verladen. Das könnte man ebenso ausbauen wie die Transitflüge. Für die Amerikaner war der Hahn doch die Nachschubbasis für Afghanistan. Im Übrigen sollte man bei Touristikunternehmen wie TUI oder Thomas Cook die Werbetrommel rühren, damit diese Pauschalreisen vom Hahn aus anbieten. Das hat enormes Potenzial.Würde es nicht den Hauptkunden Ryanair verschrecken, wenn plötzlich noch andere Ferienflüge nach Mallorca vom Hahn starten?Adrian: Das glaube ich nicht. Ryanair hat mit dem Hahn der Billigfliegerei zum Durchbruch verholfen. Dieser Flughafen ist die Hauptbasis der Iren. So schnell gibt man das nicht auf, zumal die Bedingungen hier für das Unternehmen stimmen.Das Land sucht seit Jahren private Investoren und will Anfang 2014 ausschreiben. Wie erfolgversprechend ist das?Glockauer: Der Hahn muss sich verhalten wie jedes mittelständische Unternehmen: restrukturieren, neue Geschäftsfelder erschließen. Erst danach ist ein Verkaufsprozess sinnvoll.Adrian: Ich halte den Ansatz der Investorensuche für falsch. Jeder, der am Hahn etwas erwirbt, kauft sich doch in künftige Verluste ein. Man muss also die Braut vorher aufhübschen.

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