Eine große Familie ist klasse
TV-Leser fragen, Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen antwortet. Das Angebot, die Familienministerin zu interviewen, nutzten viele Leser. Die Redaktion hat die spannendsten Leser-Fragen ausgesucht, die Ministerin hat ausführlich geantwortet. Heute drucken wir den ersten Teil. Fortsetzung folgt.
Simone Schönhofen:In der politischen Diskussion wird fast ausschließlich über die Betreuungsmöglichkeiten von Kindern im Vorschulalter geredet. Wo aber bleibt die - vor allem kostenlose - Betreuung für Kinder ab sechs Jahren?Von der Leyen: Ich weiß, dass gerade für berufstätige Eltern mit größeren Kindern oft der Alltag schwer zu organisieren ist - vor allem, wenn gute und erschwingliche Betreuungsangebote fehlen. Private Angebote sind häufig teuer. Deswegen hat der Bund vor zwei Jahren die steuerliche Absetzbarkeit der Betreuungskosten für Kinder bis 14 Jahre deutlich verbessert. Viele Bundesländer sind dabei, Ganztagsangebote auszubauen. Das halte ich für den richtigen Weg. Ganztagsschulen mit Sport, Kunst, Musik und Hausaufgabenhilfen am Nachmittag können wertvolle Impulse geben und den Lernstoff so vertiefen, dass die gemeinsame Zeit der Familien nicht mehr durch Pauken belastet ist. Andererseits müssen wir anerkennen, dass die zuständigen Länder und Kommunen mit dem gerade beschlossenen Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige bis 2013 einen wahren Herkulesakt vor sich haben. Heute gibt es in den alten Bundesländern erst für jedes zehnte Kind ein Betreuungsangebot. Damit hinkt Deutschland im internationalen Vergleich meilenweit hinterher. Die Wartelisten in den Kindertagesstätten sprechen Bände. Der Bund beteiligt sich mit vier Milliarden Euro, damit in fünf Jahren jedes dritte Kind einen Platz findet. Lis Wilhelmy aus Dudeldorf: Den Steuerfreibetrag für Besserverdienende empfinde ich als Diskriminierung. Warum erhalten Menschen, die ohnehin schon mehr Geld verdienen auch noch mehr Geld für ihre Kinder? Sind diese Kinder mehr wert?Von der Leyen: Dem Staat ist jedes Kind gleich viel wert, egal ob seine Eltern arm oder reich sind. Die Freibeträge abzuschaffen, ist nicht möglich. Denn die Verfassung verbietet, das Existenzminimum zu besteuern. Das gilt für Erwachsene wie für Kinder. Das heißt ja im Klartext: Der Staat darf vom selbst verdienten Einkommen von einer Mindestsumme nichts mehr an Steuern wegnehmen. Dieser Freibetrag beträgt für Kinder 5800 Euro im Jahr. Und noch etwas ist wichtig: Weil die Kinder im Steuerrecht wie die Erwachsenen einen Freibetrag haben, auf den keine Steuern gezahlt werden, ist sichergestellt, dass Familien mit Kindern weniger Steuern bezahlen müssen als ein Paar mit gleichem Einkommen aber ohne Kinder. Das ist fair, denn die Eltern investieren viel in die Kinder. Andererseits profitieren alle später davon, dass die heutigen Kinder unser Land tragen, wenn wir mal alt sind. Diejenigen, die weniger verdienen und keine Steuern zahlen, bekommen vom Staat direkt das Kindergeld ausgezahlt. Das erhalten also nur die kleinen und mittleren Einkommen. Für Hartz-IV-Empfänger gibt es wiederum das Sozialgeld für Kinder, das auch ihr Existenzminimum deckt.Anja Poetsch (zwei Kinder 9 und 11 Jahre), Familie Rienermann, Winfried Valerius aus Trier, Dierk Wand, Vater von vier Kindern, wohnt in einem kleinen Dorf in der Eifel:Kinder im Schulalter sind teuer. Sie benötigen Schulbücher, Geld für den Schulbus, gegebenenfalls auch Geld für die Schulspeisung. In Rheinland-Pfalz müssen Eltern diese Ausgaben allein bestreiten. Es ist ja Ländersache, aber fair ist es nicht. Warum gibt der Bund da nicht was dazu?Von der Leyen: Wir haben eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern, deshalb bekommen Bund und Länder für ihre Aufgaben auch jeweils Geld aus dem Steuereinkommen. Schule ist Länderaufgabe, und jedes Land muss selbst verantwortlich entscheiden, wo es seine Prioritäten setzt. Der Bund hat jetzt schon außer der Reihe Geld zum Ausbau der Kinderbetreuung und zum Ausbau der Ganztagsschulen gegeben. Mehr geht nicht, denn der Bund hat ja auch seine eigenen Aufgaben zu erledigen. Aber ich weiß selbst sehr gut, was Kinder und vor allem viele Kinder kosten. Ab dem dritten oder vierten Kind steigen die sogenannten Sprungfixkosten: Sie brauchen ein größeres Auto, eine größere Wohnung, die Waschmaschine läuft öfter, am Schulanfang müssen es vier Tuschkästen sein... Spätestens ab drei Kindern ist es eine Heldentat, das alles zu wuppen - vor allem, wenn die Eltern noch berufstätig sind. Deswegen setze ich mich als Bundesministerin für gestaffeltes Kindergeld ein, das pro Geschwisterkind höher ist und Mehrkindfamilien wie Ihren Vorteile bringt. Ein gestaffeltes Kindergeld, das es übrigens früher immer gab, unterstützt gezielt die kinderreichen Familien. Dafür werde ich mich starkmachen, wenn im Herbst über das Kindergeld entschieden wird.Stefanie Zorn, Petra Audesirk aus Trier, Irene Kieren aus Farschweiler, eine Tochter (25, Lehramts-Studentin): Wir finden es toll, wie Sie sich für die Kinderbetreuung einsetzen. Aber wenn Kinder studieren, ist das ja recht teuer. Dennoch wird das Kindergeld nur bis 25 Jahre bezahlt. Warum?Von der Leyen: Eine Altersgrenze ist wichtig, denn sie signalisiert jungen Menschen: Ab jetzt stehst du auf eigenen Beinen und dazu gehört ein Job, ein Studium oder eine Ausbildung. Wenn Sie ins Ausland schauen, finden Sie wenige Staaten, die Kinder in Ausbildung finanziell so lange unterstützen wie Deutschland. Deutsche Universitätsabsolventen konkurrieren heute mit jungen Menschen aus ganz Europa um die guten Jobs, sind aber in der Regel wesentlich älter. Damit ihre Chancen steigen, wird nicht nur das Kindergeld auf 25 Jahre begrenzt, sondern auch die Schulzeit um ein Jahr verkürzt und neue kürzere Studiengänge eingeführt. Das heißt, man hat bereits nach drei bis vier Jahren seinen ersten Abschluss in der Tasche. Wenn der Sohn oder die Tochter mit 25 die Ausbildung oder das Studium noch nicht beendet haben, können die Eltern den Unterhalt für ihr Kind steuerlich absetzen. Und ein weiterer Grund: Internationale Studien kritisieren das deutsche System, nicht weil wir zu wenig Geld für die Kinder einsetzen, sondern weil wir den Löwenanteil zu spät investieren. In den frühen Jahren werden aber häufig die Grundlagen dafür gelegt, ob ein Kind später Abitur macht und ein Studium aufnehmen kann. Hier geht es um gerechte Lebenschancen für alle Kinder. Deswegen müssen wir für eine gute Bildung am Anfang mehr einsetzen, auch wenn das heißt, am anderen Ende Grenzen zu setzen. Nicol Kraft-Pilko, aus Kelberg (Eifel), Mutter von vier Kindern (10 Jahre, 8 Jahre, 6 Jahren, 5 Monate):Wie kann einer Mutter mit mehreren Kindern der Wiedereinstieg in den Beruf ermöglicht bzw. erleichtert werden?Von der Leyen: So eine große Familie, das ist klasse. Eines vorweg: Lassen Sie sich kein schlechtes Gewissen einreden, wenn Sie wieder eine Arbeit aufnehmen wollen, aber auch wenn sie sich später im Job Zeit für ihre vier Kinder nehmen. Das Elterngeld soll im ersten wichtigen Jahr mit dem Neugeborenen finanzielle Sicherheit bieten, aber auch verhindern, dass junge Mütter durch zu lange Auszeiten den Anschluss an die Arbeitswelt verlieren. Frauen, die nach einer Familienzeit wieder in den Job einsteigen wollen, sind zuerst auf gute und genügend Angebote zur Kinderbetreuung angewiesen. Daran arbeiten wir jetzt mit Hochdruck. Die verbesserte Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten schafft zusätzliche Spielräume für private Lösungen. Ganz entscheidend ist aber, dass die Unternehmen passende Arbeitsbedingungen für aktive Mütter und Väter schaffen - in dem sie etwa mehr und bessere Teilzeitjobs, Telearbeit oder flexiblere Arbeitszeitmodelle und Fortbildungen für Mitarbeiter in der Kinderpause anbieten. Immer mehr Unternehmen haben Probleme, Fachkräfte zu finden, und das sind eben häufig Väter und Mütter, die sich auch künftig um ihre Familien kümmern wollen. Eine Chance für Unternehmen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, sind Betriebskitas. Mein Ministerium stellt dafür ab sofort 50 Millionen Euro bereit. Wir fördern maximal 6000 Euro Betriebskosten pro Kind und pro Jahr, über zwei Jahre. Dieses Geld steht Unternehmen mit weniger als 1000 Beschäftigten bis 2011 zur Verfügung. Aber es gibt auch Mütter, die sich viele Jahre um ihre Kinder gekümmert haben und nach manchmal einem Jahrzehnt den Berufsanschluss wieder suchen. Diese Mütter liegen mir sehr am Herzen, weil es für sie kaum Anknüpfungspunkte gibt, obwohl sie viele kostbare Kompetenzen in der Familienarbeit dazugewonnen haben. Sie sind belastbar, können organisieren, fünf Dinge auf einmal tun, sie sind sehr motiviert und zuverlässig. Aber sie brauchen eine Möglichkeit des Wiedereinstiegs! Deshalb habe ich mit der Bundesagentur für Arbeit verabredet, speziell für diese Frauen in den Kommunen, aber auch über das Internet Wiedereinstiegsmöglichkeiten zu zeigen. Persönliches Ursula von der Leyen: Ursula Gertrud von der Leyen, geborene Albrecht , geboren am 8. Oktober 1958 in Brüssel, Belgien. Sie ist seit 2005 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (CDU). Von 2003 bis 2005 war sie Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit des Landes Niedersachsen. 1987 schloss sie ihr ein Medizinstudium an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit dem Staatsexamen und ihrer Approbation als Ärztin ab. 1991 erfolgte ihre Promotion zur Dr. med. Nach der Geburt ihres dritten Kindes 1992 beendete sie ihre Facharztausbildung ohne Abschluss. Von 1992 bis 1996 lebte sie mit ihrer Familie in den USA. Nach der Rückkehr ihrer Familie nach Deutschland war sie von 1996 bis 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover. 2001 erwarb sie dort den akademischen Grad eines Master of Public Health (MPH). vk/kie