Eine Million Jahre unter der Erde

Deutschland sucht, Frankreich auch: Beide Länder haben noch immer kein Endlager für Atommüll. Im lothringischen Bure soll ein solches entstehen. Deutschland ist an dem dortigen Forschungslabor bereits beteiligt.

Gorleben/Bure. Deutschland hat ein Problem. Es gibt noch immer kein Endlager für die hoch radioaktiven Abfällen aus den Atomkraftwerken. Das wird immer dann bewusst, wenn - wie jetzt - mal wieder ein Castor-Transport durch die Republik rollt, begleitet von Protesten und einem riesigen Polizeiaufgebot. Ziel des Atommüllproblems ist Gorleben, dort sollen die mit radioaktivem Abfall gefüllten Fässer in einer Halle zwischengelagert werden. Ein Zwischenlager als Zwischenlösung.

Strahlenmüll kann auf Tonerde gelagert werden



Auch Frankreich hat ein Problem. Für die 19 Atomkraftwerke des Nachbarlandes gibt es ebenfalls kein Endlager. Noch nicht. Vor acht Jahren wurde im lothringischen Bure in der Nähe von Nancy in einem 500 Meter tiefen Stollen ein Forschungslabor eingerichtet. In einem 500 Meter langen, 4,5 Meter hohen und 3,5 Meter breiten Tunnel untersuchen Wissenschaftler, ob die dortige Lehmschicht für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen geeignet ist. Mittlerweile steht fest: In der Tonerde kann Atommüll bis zu einer Million Jahre gelagert werden. Nicht nur diese Erkenntnis, sondern auch der Aufwand, mit dem in Bure, das rund 200 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt ist, geforscht und gearbeitet wird, lässt Atomkraftgegner befürchten, dass die Entscheidung für den Standort eines Endlagers längst getroffen ist. Bure sei kein Forschungslabor sondern ein Endlager, sagen Gegner der Anlage (der TV berichtete). Und nicht nur das: Wenn in Bure ein Endlager entsteht, dann soll dort auch Atommüll aus dem Ausland gelagert werden, befürchten Umweltschützer. "Alles Quatsch", heißt es bei der Betreiberfirma des angeblichen Forschungslabors, der französischen Entsorgungsagentur Andra. In Frankreich sei es verboten, Atommüll aus dem Ausland zu lagern.

"Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die in Deutschland anfallenden radioaktiven Abfälle im eigenen Land endzulagern sind", antwortete am 16. September der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Jochen Homann, auf die Frage der Bitburger Grünen-Bundestagsabgeordneten Ulrike Höfken, ob Deutschland seinen Atommüll in Bure einlagern will. Allerdings seien deutsche Forschungseinrichtungen "im Rahmen wissenschaftlicher Zusammenarbeit" an der Arbeit in Bure beteiligt, ergänzt Homann auf die parlamentarische Anfrage der Eifeler Abgeordneten. Erst Anfang Juli besichtigten Ministeriumsmitarbeiter die Anlage in Lothringen. Auf eine Anfrage der Linkspartei gab das Wirtschaftsministerium zu, dass seit 2000 rund 1,6 Millionen Euro deutscher Steuergelder nach Bure geflossen sind, bis 2011 sollen weitere Mittel bereitgestellt werden.

Nicht nur die Kooperation der beiden Länder, sondern auch die aktuellen Proteste gegen den Castor-Transport mit einem Millionen Euro teuren Polizeieinsatz in Deutschland geben der Spekulation über ein gemeinsames Endlager in Bure wieder neue Nahrung. Der Standort liegt auf der Route von der Wiederaufbereitungsanlage im französischen La Hague in Richtung Deutschland. Da sei die Versuchung natürlich groß, mutmaßt Michel Marie, Sprecher der Bürgerinitiative gegen ein Endlager in Bure. Der nun wieder erstarkte Atom-Widerstand könnte sich im Übrigen auch auf die Region auswirken. Während nämlich die Castor-Transporte, begleitet von massenhaften Protesten, durch die Republik rollen, fahren regelmäßig fast unbemerkt von der Öffentlichkeit Atomtransporte durch die Region. Die Züge bringen Uranhexafluorid zu einer Anreichungsanlage nach Frankreich. Erst kürzlich wurde ein solcher Zug an der deutsch-französischen Grenze wegen Überladung aus dem Verkehr gezogen. Nicht auszuschließen, dass die Blockade des Castor-Transports auch die Atomgegner in der Region wieder aufstehen lässt.

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