Eine neuer "Bruder" auf der Achse des Bösen

Washington . (die) In der US-Hauptstadt empfinden Regierungsmitglieder derzeit vor allem die Unterstützung Syriens für den Irak als gefährlichen Affront und stellen sich die Frage: Wie reagieren? Auch das Misstrauen gegenüber dem Iran nimmt zu.

Die Warnung von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld an dieAdresse Syriens war unüberhörbar: Die aktive Unterstützung desLandes für den Irak stelle einen "feindlichen Akt" dar, für denDamaskus zur Rechenschaft gezogen werden könne. Am Sonntag hattedann US-Außenminister Colin Powell nachgelegt: Syrien stehe nunvor einer entscheidenden Wahl: Es könne die Kooperation mitTerrorgruppen fortsetzen oder "einen anderen, hoffnungsvollerenKurs einschlagen". Und auch der Iran zog sich den Zorn beiderMinister zu: Falls bewaffnete schiitische Kräfte aus dem Iran imIrak in die Kämpfe eingreifen würden, müsse man sie als Gegnerbetrachten. Im Zentrum der US-Kritik steht aber die Bereitschaft der Syrer, für den Irak bestimmte militärische Lieferungen aus Drittländern ungehindert - und damit unter klarem Verstoß gegen die UN-Sanktionen - passieren zu lassen. Seit mehr als einem Jahr, hieß es, habe das US-Außenministerium vergeblich versucht, Damaskus zum Einlenken zu bewegen. Die Situation sei nun eskaliert, weil neben Nachtsicht-Geräten mittlerweile auch große Mengen von modernen Panzerabwehrraketen russischer Herkunft in den Irak gelangten.

In Syrien hatte man derartige Vorwürfe stets dementiert, doch Washington verfügt mittlerweile offenbar über so schlagkräftige Beweise, dass sich das syrische Außenministerium gestern zu einer ungewöhnlichen Stellungnahme veranlasst sah: Syrien habe sich entschlossen, sich brüderlich an die Seite der irakischen Bürger zu stellen, die sich einer "ungesetzlichen und ungerechtfertigten Invasion" gegenüber sehen würden. Für die Bush-Regierung wächst deshalb der Handlungsdruck. Lässt man weitere Waffenlieferungen ohne Sanktionen zu, verlieren nicht nur die bisher formulierten Warnungen jegliche Glaubwürdigkeit. US-Präsident Bush müsste sich auch vorwerfen lassen, eine aktive Unterstützung eines Drittlandes für den Irak zu tolerieren und damit das Leben von amerikanischen Soldaten zu gefährden.

"Wir könnten schnell an der Schwelle stehen, wo Worte gegenüber Damaskus nicht mehr reichen", hieß es gestern in Regierungskreisen. Doch angesichts der explosiven Stimmung in der arabischen Welt und des Vollzeit-Engagements der US-Streitkräfte im Irak und in Afghanistan zählt ein begrenzter Militärschlag gegen das derzeitige Mitglied des UN-Sicherheitsrates momentan noch nicht zu den ernsthaft diskutierten Optionen. Wahrscheinlicher sei zunächst eine formelle Aufkündigung aller diplomatischen Beziehungen als "letzte Warnung".

Ebenso hat man vor, von irakischem Boden aus aktiv den Grenzverkehr zwischen Syrien und dem Irak zu verhindern - und damit auch den Strom jener kampfbereiter Freiwilliger zu unterbinden, die derzeit nach syrischen Angaben in Richtung Bagdad strömen.

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