"Eine sehr menschliche Reaktion"

TRIER. Die mehrfach ausgezeichnete deutsch-palästinensische Filmproduktion "Paradise Now" startet heute in Deutschland. Der Film erzählt von zwei jungen Palästinensern, die sich zum Selbstmordattentat gegen israelische Zivilisten entschließen – und sorgt damit bereits vor seiner Premiere für Aufruhr.

"Warum machst du das?""Weil es keine andere Lösung gibt."

"Wenn du so weit gehst, für die Gleichberechtigung zu töten und selbst sterben willst, warum setzt du diese Kraft nicht eher ein, um friedliche Lösungen zu finden?"

"Du bist so naiv. Ohne Kampf keine Freiheit! Jemand muss das eben tun, sich opfern gegen das Unrecht."

"Opferbereitschaft? Das ist Rache! Du tötest und wirst genau wie sie. Wo bleibt da der Unterschied zwischen Opfer und Täter?"

So diskutieren die beiden palästinensischen Attentäter Suha und Khaled im Kinofilm "Paradise Now", der heute in Deutschland startet. Das fiktive Werk des palästinensischen Regisseurs Hany Abu-Assad, das vom Leben der beiden jungen Männer im Westjordanland erzählt (siehe Filmkritik unten), sorgt vor seiner offiziellen Premiere deutschlandweit und auch in Trier für Auseinandersetzungen. "Wir protestieren in schärfster Form gegen die Aufführung des Films in deutschen Kinos", teilte die Deutsch-israelische Gesellschaft (DIG) Trier dem TV mit.

In Trier läuft "Paradise Now" heute Abend im Broadway-Kino an. Die Ortsgruppe der Menschenrechtsorganisation Amnesty International präsentiert gemeinsam mit der Trierer "Arbeitsgemeinschaft Frieden" (AGF) und dem Programm-Kino in der Paulinstraße den Film. Im Anschluss an die 19.30-Uhr-Aufführung veranstaltet der Trierer Arbeitskreis Israel-Palästina des AGF eine Diskussionsrunde zum Thema.

Der Film würde "antisemitische Selbstmordbomber verherrlichen" und legitimiere "in letzter Konsequenz den Massenmord an Juden", sagt der Trierer Johannes Platz von der DIG. Mit Flugblättern und Broschüren will die DIG daher heute Abend vor dem Kino auf ihr Anliegen aufmerksam machen. "Wir wollen gegen die Entscheidung des Broadways, den Film zu zeigen, protestieren", sagt Platz. Die Diskussionsrunde des AK Israel-Palästina hält Platz nicht für geeignet, das Thema anzugehen. "Das Problem ist der Film selbst, in dem die Identifikation mit den Attentätern im Vordergrund steht und nicht die Opfer. Filme, die für Selbstmordattentäter werben, sollten nicht gezeigt werden!"

Als Aufruf zur Indizierung will der 35-jährige Historiker, der den Film noch nicht gesehen hat, seinen Appell allerdings nicht verstanden wissen.

Auf dem größten deutschen Filmfest, der Berlinale, zeichnete Amnesty International "Paradise Now" mit dem Menschenrechtspreis aus. Außerdem erhielt der Film den Zuschauerpreis und den "Blauen Engel" für den besten europäischen Beitrag des Festivals.

Auch deshalb kann Hazem Shehada vom Trierer AK Israel-Palästina die scharfe Reaktion der Deutsch-israelischen Gesellschaft nicht nachvollziehen: "Ich finde, die Kritik ist unberechtigt", sagt der aus Palästina stammende Doktor der Geschichte und Sozialwissenschaften.

"Pauschale Ablehnung ist falsch"

"Wir veranstalten ja extra eine Diskussionsrunde, damit der Film nicht unkommentiert gezeigt wird", sagt Shehada. "Eine pauschale Ablehnung ist nicht der richtige Umgang mit diesem fiktiven Film - besonders, wenn man ihn noch gar nicht selbst gesehen hat."

In ihrer Pressemitteilung hatten die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Amnesty International den Film als "eine kleine Geschichte über einen großen Konflikt" beschrieben. "Zwei Selbstmordattentäter stehen vor ihrer Entscheidung zum Attentat", heißt es. Dabei sei Paradise Now "moralisch, aber nicht moralisierend, berührend, aber nicht sentimental".

Auch die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) scheint wenig Anstoß an dem dargestellten, emotionalisierten Konflikt der Selbstmordattentäter zu nehmen und hat "Paradise Now" in ihr Medien-Programm für den Schulunterricht aufgenommen.

Dabei hatte Regisseur Abu-Assad in einem Interview mit Qantara.de, dem Gemeinschaftsprojekt zum Dialog mit der islamischen Welt von BPB, Deutscher Welle, Goethe-Institut und dem Auswärtigen Amt auf die Frage, ob er die realen palästinensischen Selbstmordattentäter verurteile, geantwortet: "Warum denn? Ich bin gegen die Tötung von Menschen, und ich will das stoppen. Aber ich verurteile die Selbstmordattentäter nicht. Für mich ist das eine sehr menschliche Reaktion auf eine extreme Situation."

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