Eine Wurst mit Pommes extra

Berlin · Philipp Rösler drängt auf eine rasche Senkung der Sozialabgaben. Entlastungen sind laut dem FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister schon ab 2012 möglich. Geplant waren sie eigentlich für 2013.

Berlin. Eigentlich hatten sich die Spitzen der schwarz-gelben Koalition darauf verständigt, die Bürger erst ab 2013 mit Entlastungen zu beglücken. Nun erhöht FDP-Chef Philipp Rösler scheinbar den Druck: "Eine Entlastung bei den Sozialabgaben ist schon ab 2012 möglich." Diese Chance sollte genutzt werden, sagte Rösler in einem Interview. Das mag forsch klingen, ist aber etwas wohlfeil. Denn zumindest für die Rentenkasse stehen die Zeichen schon kraft Gesetz auf baldige Beitragssenkung. Rösler braucht dafür also nicht zu "kämpfen". Zum anderen darf man daran erinnern, dass Schwarz-Gelb die Sozialabgaben erst vor wenigen Monaten um insgesamt 0,8 Beitragspunkte auf nunmehr 40,35 Prozent vom Bruttolohn angehoben hat. So gesehen würde den Arbeitnehmern 2013 lediglich zurückgegeben, was sie bis vor kurzem noch in ihrer Tasche hatten. Und auch das ginge praktisch nur zu einem Bruchteil, wie die nachfolgende Übersicht zur Finanzlage der einzelnen Sozialversicherungszweige zeigt:
Rentenkasse: Dank der florierenden Konjunktur ist die Rentenkasse gut gefüllt. Nach dem Rentengesetz soll sie aber kein Sparstrumpf sein: Übersteigen die Rücklagen das 1,5fache einer Monatsausgabe, muss der Beitrag gesenkt werden. Nach allen Prognosen wird das bereits im kommenden Jahr der Fall sein. Der Beitrag von jetzt 19,9 Prozent könnte dann um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte sinken. Bei einem Monatsverdienst von 2000 Euro wäre das eine Ersparnis zwischen zwei und vier Euro. Die Hälfte entfällt auf den Arbeitgeber.
Krankenversicherung: Wegen des absehbaren Defizits wurde der allgemeine Kassenbeitrag zum 1. Januar von 14,9 auf 15,5 Prozent erhöht. Doch inzwischen meint es die Konjunktur auch mit dem Gesundheitsfonds gut. Zum Jahresende werden Überschüsse in Höhe von sieben Milliarden Euro erwartet. Davon abzuziehen sind die gesetzlich vorgeschriebene Mindestrücklage von drei Milliarden Euro und veranschlagte Kosten für den Sozialausgleich finanzschwacher Kassenmitglieder im Umfang von zwei Milliarden Euro. Unter dem Strich bleiben zwei Milliarden Euro "Luft".
Damit könnte der Kassenbeitrag theoretisch um 0,2 Beitragspunkte gesenkt werden. Gesetzliche Vorgaben wie für die Rentenkasse gibt es hier nicht. Politisch wäre eine Beitragssenkung jedoch heikel. Denn mit einem niedrigeren Beitrag bekämen die Kassen ein Argument für die Notwendigkeit flächendeckender Zusatzbeiträge geliefert. Viele von ihnen scheuen diesen Obolus aus Wettbewerbsgründen. Obendrein wäre ein Streit absehbar, ob die Arbeitnehmer von einer Beitragssenkung komplett oder nur teilweise profitieren sollen. Denn der Kassenbeitrag wird nicht mehr wie früher paritätisch finanziert: 8,2 Prozent zahlen die Arbeitnehmer, 7,3 Prozent die Arbeitgeber.
Arbeitslosenversicherung: Auch hier wurde der Beitrag zu Jahresbeginn angehoben - von 2,8 auf drei Prozent. Für eine Absenkung gibt es keinen Spielraum. Durch die Wirtschaftskrise der Vorjahre verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit (BA) Ende 2010 ein Defizit von rund acht Milliarden Euro. Dieser Fehlbetrag wird sich auch wegen der inzwischen guten Arbeitsmarktlage im laufenden Jahr auf etwa vier Milliarden Euro verringern. Für das Defizit springt der Bund mit Krediten ein, die die BA aber bis 2015 zurückzahlen muss.
Pflegeversicherung: Die Finanzierung der Pflegekasse ist nach einhelliger Expertenauffassung mit dem aktuellen Beitrag von 1,95 Prozent (Kinderlose 2,2 Prozent) nur noch bis 2014 zu stemmen. Obendrein plant die Regierung eine Reform mit dringend notwendigen Leistungsverbesserungen unter anderem für Demenzkranke. Das heißt, für die Pflegekasse ist nicht nur keine Beitragssenkung möglich. Zu erwarten ist sogar eine Beitragserhöhung. Aufschluss darüber könnte ein erster Reformentwurf des Gesundheitsministeriums geben, der aber nicht vor August erwartet wird.
Fazit: Beitragssenkungen schon ab 2012 wären in einer Größenordnung von höchstens 0,4 Prozentpunkten (bei Rente und Gesundheit) denkbar. Macht bei einem Verdienst von 2000 Euro acht Euro Entlastung im Monat, die Hälfte davon für den Arbeitnehmer. Das reicht für eine Currywurst mit Pommes extra.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort