Einhelliges Lob für Karlsruher Urteil

Der Chaos-Computer-Club (CCC), eine Vereinigung von Computer-Hackern, hat mit einem Gutachten für das Bundesverfassungsgericht zur Vorratsdatenspeicherung zum gestrigen Urteil beigetragen. Der TV sprach mit einem Trierer CCC-Mitglied über die Datensammelwut von Behörden.

Trier. Vor 20 Jahren galten sie noch als Spinner, als Außenseiter, die nichts als Computer im Kopf haben und den ganzen Tag lang, rauchend und Kaffee trinkend vor dem Bildschirm sitzen. Und als Kriminelle, die etwa Zugangsdaten zu Banken knackten. Mit ihren nicht immer legalen Methoden wollten die Hacker des 1981 gegründeten Chaos-Computer-Clubs (CCC) nichts anderes als auf Sicherheitslücken hinweisen. Aus der Schmuddel-Ecke sind die Computer-Fans längst heraus. Mittlerweile ist der CCC sogar vom Bundesverfassungsgericht anerkannt. Die Computerexperten haben im Auftrag der obersten Richter ein Gutachten zur Vorratsdatenspeicherung angefertigt und haben damit zum gestrigen Urteil beigetragen. Vorratsdatenspeicherung sei eine "anlasslose Maßnahme", mit der jeder, der moderne Kommunikationsmittel verwendet, überwacht wird, ohne dass ein Verdacht besteht, sagt das Trierer CCC-Mitglied Juice. Wie Juice wirklich heißt, will er nicht sagen. Anonymität gehört auch zu den Eigenarten des Clubs, der seit 1998 in Trier existiert.

Aus den Verbindungsdaten ließen sich laut Juice Freundeskreise und Beziehungen der überwachten Person rekonstruieren. "So ließe sich beispielsweise aus einem E-Mail-Kontakt mit einem auf Familienrecht spezialisierten Anwalt gefolgt von telefonischen Anfragen bei Wohnungsmaklern eine Scheidungsabsicht prognostizieren", erklärt der Trierer Computerspezialist.

Anhäufung von Datenhalden weckt Begehrlichkeiten



Aus einer geringen Datenmenge könnten umfangreiche Rückschlüsse auf das Privatleben eines Betroffenen gezogen werden. "Die Anhäufung von immer größeren Datenhalden weckt auch immer größere Begehrlichkeiten, sowohl bei staatlichen als auch privaten Stellen", sagt Juice.

Wie oft die Verbindungsdaten von Telefonkunden und Internet-Nutzern bei Ermittlungsverfahren im Bereich des Polizeipräsidiums Trier in der Vergangenheit schon eine Rolle gespielt haben, will weder die Polizei noch das Mainzer Innenministerium bekanntgeben. Doch vor allem bei Drogendelikten spielt die von Richtern angeordnete Telefonüberwachung und Vorratsdatenspeicherung auch bei Ermittlungen in der Region immer wieder eine Rolle. Zuletzt kamen Fahnder dadurch einer Bande in Trier auf die Schliche, die Drogenhandel im großen Stil betrieben hatte.

Nach dem gestrigen Urteilsspruch ist aber auch bei schweren Straftaten die Speicherung von Daten zunächst mal untersagt, bis es eine gesetzliche Neuregelung gibt. Der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch sieht das kritisch: "Der Bundesgesetzgeber muss schnell hier schnell handeln, um diese Lücke zu schließen." Ansonsten begrüßt er aber die von den Karlsruher Richtern angeführten hohen Hürden für die Vorratsdatenspeicherung. Der Landesdatenschutzbeauftragte Edgar Wagner lobt die "nicht zu überbietende Deutlichkeit", mit der das Gericht den Gesetzgeber korrigierte. Konsequenzen des Urteils sind laut Wagner, dass die bisherigen Vorratsdaten ausnahmslos gelöscht werden müssen, dass bis auf Weiteres keine Vorratsdaten mehr gespeichert werden dürfen und dass künftig diese nur unter engsten Voraussetzungen zulässig sind.

Auch die Verbraucherschützer jubeln: "Die Richter haben ein klares Signal gegeben: Die informelle Selbstbestimmung ist und bleibt auch künftig ein hohes Schutzgut in unserer Gesellschaft, insbesondere auch in der digitalen Welt", sagt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, der aus Speicher (Eifelkreis Bitburg-Prüm) stammende Gerd Billen.

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