Eiskaltes Kalkül

Wenndenn noch jemand dem naiven Glauben aufgesessen sein sollte, denUSA ginge es im Irak um die Beseitigung vonMassenvernichtungswaffen, dann schlägt ihm jeder neue Tag einesder wenigen Argumente aus der Hand, die er bis dato ins Feldführen konnte. Was immer Saddam Hussein tut oder lässt, um die Uno-Auflagen zu erfüllen: Es interessiert in

Washington so wenig, dass man nicht einmal die Informationen der Inspektoren abwartet, bevor man erklärt, es habe sich sowieso nichts geändert.

Das ist auch durchaus logisch. Denn es geht nicht um die Beseitigung einer Gefahr, die von Saddam Hussein ausgeht, es geht um die Beseitigung des Diktators und seine Ersetzung durch eine Regierung, die den USA und ihren Interessen freundlich gegenübersteht. Ob das eine Diktatur ist oder eine Demokratie, ob sie Waffen hat oder nicht, ob es dem Volk im Irak besser geht oder nicht: das ist George Bush herzlich egal. Siehe Afghanistan.

Daraus einen moralischen Vorwurf zu machen, wie es die Friedensbewegung tut, ist zwecklos. Weltmächte, zumal solche, die aufgrund ihrer Stärke keine Rücksichten mehr nehmen müssen, brauchen die Moral für die innenpolitische Rechtfertigung, aber nicht für ihre Geostrategie. Das zu erkennen, hat nichts mit Anti-Amerikanismus zu tun, sondern mit nüchterner Analyse.

Letztere fällt aber gerade in Deutschland manchem schwer. Dass man mit den Amerikanern in einer unverbrüchlichen Wertegemeinschaft für die gute Sache sei, gehört zu den Lebenslügen der Bundesrepublik.

Die Care-Pakete, die Rosinenbomber, der Marshall-Plan: Sie dienten der politisch gewollten Etablierung eines Bollwerks gegen das Sowjet-Reich. Zugunsten der deutschen Bevölkerung, von vielen Menschen in den USA mit Herzblut unterstützt - aber in der Konsequenz nichts anderes als die knallharte Wahrung eigener Interessen.

Das schmerzhafte Ende, das die blauäugige Einschätzung der USA als guter Samariter in diesen Tagen unwiderruflich nimmt, erklärt zwei völlig unterschiedliche Reaktionen: Die irrationale Wut bei vielen Friedens-Demonstranten, und den infantilen Trotz bei der CDU, die sich inzwischen amerikanischer geriert als die Mehrheit der Amerikaner.

Beides führt nicht weiter. Wer den Krieg im Irak noch verhindern will, wird das mit noch so großen Protestkundgebungen nicht schaffen - und mit peinlichen Solidaritätsgesten noch viel weniger. Bewegung kann nur in die Sache kommen, wenn es gelingt, die Amerikaner politisch so zu isolieren, dass ein Krieg für sie bei eiskaltem Kalkül mehr Nachteile als Vorteile bringt. Dafür braucht man taktisches Geschick und stille Diplomatie.

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