Eisschrank-Politik

Die Terroranschläge des 11. September 2001 haben auch die diplomatische Denkweise im Weißen Haus dramatisch verändert. Zunächst erfolgte eine Neu-Einteilung der Welt in Gut und Böse, geprägt durch die erschreckend schlichte Definition George W. Bushs: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.

Für Neutralität oder Grauzonen erschien dabei kein Spielraum. Und so zog man es in Washington vor, mit als "Schurkenstaaten" empfundenen Nationen wie Nordkorea, Syrien oder dem Iran nicht zu reden, sondern lediglich verbale Giftpfeile in deren Richtung zu schießen. Auch Venezuelas jetzt mit großer Mehrheit im Amt bestätigter Präsident Hugo Chavez, der Bush gelegentlich ungeniert als "Teufel" betitelt hat, gehört zu jenen Staatsmännern, die sich im Tiefkühlfach der US-Diplomatie befinden. Und im Hinblick auf das bevorstehende Ende der Ära Fidel Castro in Kuba versicherte das Weiße Haus bereits vorsichtshalber, es werde erst dann bessere Beziehungen geben, wenn das Land den Pfad zur Demokratie beschreite. Doch wie sinnvoll ist heute noch eine solche Politik der konsequenten Abschottung - auch angesichts der Herausforderungen durch den weltweiten Terrorismus? Nordkorea hat es, diplomatisch von Washington unter Bush ignoriert, mittlerweile zu einsatzfähigen Atombomben gebracht, die angesichts des Devisenmangels in Pjöngjang theoretisch auch in den Händen von Extremistengruppen landen könnten. Und Iran wie auch Syrien betätigen sich weiter als Unruhestifter im Nahen Osten, sei es im Libanon oder durch die Förderung von radikalen Gruppen im Irak. Erst jetzt, wo sich das Zweistromland im Bürgerkriegs-Zustand befindet, wird eine diplomatische Einbindung der Anrainer-Staaten in den USA zum Thema. Und Kuba? Die amerikanischen Boykott-Gesetze gegenüber der Zuckerinsel, die weitgehend durch den politischen Druck der Exilkubaner-Lobby entstanden sind, haben auch in Jahrzehnten keinen Umschwung in Havanna bewirkt. Doch allein durch die Nähe des amerikanischen Festlandes zu Kuba könnten eine Charme-Offensive Washingtons und ein Wegfall der antiquierten Reisebeschränkungen hier Wunder bewirken und einen Wandel von innen beschleunigen. Doch dass George W. Bush eine der wichtigsten Lektionen für erfolgreiche Politik in seinen letzten zwei Amtsjahren noch lernt, erscheint fraglich: Denn welchen Sinn macht Diplomatie, wenn immer nur mit Freunden geredet wird? nachrichten.red@volksfreund.de

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